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Zeitzeuge Friedrich Wiener

Erinnerungen 1944 bis 1946

Erinnerungen 1944-1946
Mitte 1944
Eintritt in die Lehrerbildungsanstalt (LBA) Salzburg
Bomben auf Bad Ischl
Täglich Fliegeralarm in Salzburg
Einberufung zum Volkssturm
Dienst im Postamt Bad Ischl
Die Suche nach Deserteur Wiener
Die letzten Kriegsmonate
Die Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner
Die ersten Amerikaner!
Zwei tragische Vorfälle
Ereignisse am 7. Mai 1945
Dienststellenwechsel
Politische Begebenheiten
UFA-Filmgesellschaft und Künstlergemeinschaft Salzkammergut
Wiederaufnahme meines Studiums
Wahlen am 25.Nov. 1945
Notzeiten
Eine willkommene Spende
Allmählich normalisiert sich der Alltag
Aufruhr im Theater
Aufschwung in allen Belangen


Kunst u. Zeitgeschichte:
Herbert Friedl - Maler,Grafiker; Objekt- und Raumkünstler

Timeline zur Oberösterreichischen Zeitgeschichte 1938

Zeitzeugenberichte

Publikationen
zur Zeitgeschichte


Heimatvertriebene


www.regionalkultur.at
Geschichteclub Stahl



UFA-Filmgesellschaft und Künstlergemeinschaft SalzkammergutDienststellenwechselPolitische Begebenheiten


Der sozialdemokratische Vizebürgermeister und Landtagsabgeordnete der Ersten Republik, der Postbeamte Fridolin Schröpfer, war während der NS-Zeit strafversetzt in Steyr, ist nun nach Bad Ischl zurückgekommen und hat am 11. Juni Karl Fahrner als Bürgermeister abgelöst, der am 8. Mai von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt worden war.

In den ersten Maitagen, knapp vor dem Einmarsch der Amerikaner in Bad Ischl, ist die Untergrundbewegung, die sich um Sepp Plieseis – Deckname Fred – gesammelt hatte, als Österreichische Freiheitsbewegung auf den Plan getreten. Mit ihren bewaffneten Mitgliedern bildete Plieseis die "Politische Polizei" und hatte in der Stadtverwaltung mächtigen Einfluss.

Am 23. Mai erschien die erste Nummer der "Salzkammergut Stimmen", ein Organ der Freiheitsbewegung. Die weiteren Folgen wurden für jeweils Mittwoch und Freitag angekündigt. Es blieb aber bei dieser ersten und einzigen Ausgabe, denn ironischerweise wurden im Inneren des Blattes Anordnungen der Besatzungsmacht verlautbart, in denen es unter anderem hieß, dass Druckwerke wie die "Salzkammergut Stimmen" ausdrücklich verboten waren.

Eine eigenartige Begebenheit ist mir in diesem Zusammenhang in lebhafter Erinnerung: Es mag etwa Ende Juli gewesen sein, als mein Vater und ich vom Anzenberg her, wo wir Holz geschlägert hatten, auf dem Heimweg waren und auf einem primitiven Bankerl ein wenig rasteten. Bald gesellte sich Leopold Fischeneder senior zu uns. Fischeneder war ein Forstarbeiter und taub. Im Ersten Weltkrieg war er an der Dolomitenfront verschüttet worden und hatte das Gehör verloren. Wegen seines Gebrechens war er etwas kontaktarm und galt als sehr belesen. Wie konnte es in diesen ereignisreichen Tagen anders sein, bald begannen die beiden Männer zu politisieren. Die folgende Szene steht noch sehr plastisch vor meinem geistigen Auge und der Dialog klingt mir noch wortwörtlich im Ohr. Fischeneder fixierte meinen Vater, um ihm die Antwort vom Mund ablesen zu können, und fragte: "Franz, wie gefällt dir jetzt die Geschichte auf der Gemeinde?" Mein Vater machte eine verneinende Handbewegung und erwiderte: "Pold, gar nit!" "Siagst, Franz, mir ah nit. Viel zu viel Kommunisten. Wir brauchen einen sozialdemokratischen Staat – und den Otto als Kaiser!" (Gemeint war damit natürlich Otto von Habsburg, der älteste Sohn des letzten Kaisers.) Es mag eines der paradoxen Phänomene im Inneren Salzkammergut – besonders im Ort der Sommerresidenz des ehemaligen Kaisers – gewesen sein, dass "ärarische" (= in staatlichen Betrieben beschäftige) sozialdemokratisch eingestellte Forst-, Salinen- und Bergarbeiter monarchistisch gesinnt, oder besser gesagt, Anhänger des Kaisers waren. In Goisern oder Ebensee war die Lage entschieden anders.
Der Einfluss der Kommunisten und der von ihnen dominierten Freiheitsbewegung in der Verwaltung der Stadtgemeinde war in den ersten Wochen nach dem Krieg sehr groß.

Verwunderung, wenn nicht Bestürzung, löste im bürgerlichen Lager die Entscheidung des angesehenen Müllermeisters Hubert (von) Wagner aus, der sich nun den Sozialisten als Mitarbeiter in der Stadtgemeinde zur Verfügung stellte. Die Familie Wagner hatte in der NS-Zeit viel Unannehmlichkeiten und Quälereien mitzumachen, war doch die Gattin Wagners und Mutter seiner Töchter "rassisch nicht einwandfrei" – also jüdischer Abstammung.

Ein Doppelblatt machte damals unter den Arbeitern und Angestellten der Stadtgemeinde die Runde. Es galt, darin einzutragen, zu welcher politischen Gruppierung man sich zählt. Zwei Seiten füllten die Namen, die sich zu den Kommunisten bekannten, etwa eine erfasste die Sozialisten, während auf der Seite, die der ÖVP vorbehalten worden waren, sich ungefähr ein Dutzend Namen fanden.
Im Sommer wurde die provisorische Gemeindevertretung neu geordnet und die Referate in Drittelparität zwischen den Vertretern der "antifaschistischen" Parteien (die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht offiziell erlaubt waren!) neu aufgeteilt. Stadtrat Albert Binna übernahm jetzt das neu geschaffene Kulturreferat, während der Bauer Josef Ferdin nun das Landwirtschaftsreferat führte.
Für eine kurze Übergangszeit war Binna für Landwirtschaft und Kultur zugleich zuständig.



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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
ein wissenschaftliches Großprojekt des Landes

Näheres zum Projekt, sowie zur detaillierten Publikationsliste (Stand Oktober 2007) ...