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Kriegsgefangenenlager Aigen Schlägl

Verschwiegen – Vertuscht – Verdrängt
Aigen-Schlägl 1945

Die Broschüre
Vorwort
Anmerkung zur Darstellung des Kriegsgefangenenlagers
Skizze vom Gefangenenlager
Georg Jestadt: In amerikanischer Kriegsgefangenschaft
Der Bericht von Kurt Hädicke
Der Bericht von Werner Barmann
Ein US-KZ in Deutschland
Schreiben vom Schwarzen Kreuz
Einweihung einer Gedenktafel am 6. 6. 1997
Festansprache von Dir. J. Gruber
Einsegnung der Gedenktafel
Bericht der Zeitschrift "Der Freiwillige"


Kunst u. Zeitgeschichte:
Herbert Friedl - Maler,Grafiker; Objekt- und Raumkünstler

Timeline zur Oberösterreichischen Zeitgeschichte 1938

Zeitzeugenberichte

Publikationen
zur Zeitgeschichte


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Geschichteclub Stahl



In amerikanischer Kriegsgefangenschaft (6)In amerikanischer Kriegsgefangenschaft (4)Todeslager für deutsche Kriegsgefangene und
ein ungesühntes Verbrechen der US-Armee

Bericht eines ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS vom Panzerregiment der 12. SS-Panzer-Division, des Zeitzeugen Georg Jestadt, Jahrgang 1926:
In amerikanischer Kriegsgefangenschaft (5)



Nach etwa zehn Tagen kursierten im Lager plötzlich Parolen, dass mit einem Durchschleusen auf der Suche nach höheren Staatsbeamten, Parteimitgliedern oder Befehlshabern begonnen wird. Da auch von der SS gesprochen wurde, kam bei uns der Verdacht auf, dass man uns "Frontschweine", die bis zuletzt ihren Kopf hingehalten hatten und in vorderster Front vor der Übermacht aushalten mussten, uns, die letzte Garnitur der Waffen-SS sozusagen, im gleichen Zug mit den Parteifunktionären oder der politischen, so genannten "schwarzen SS mit den Hakenkreuzarmbinden" in einen Topf werfen würde. Es war beunruhigend, denn inzwischen munkelte man, wie stark diverse Himmler-Organisationen untereinander verstrickt waren. Unter ihnen waren auch kriminell anrüchige Verbände wie z. B. der SD und die Gestapo (Sicherheitsdienst und Vollzugsexekutive), die man in Uniformen den unseren gleich, nur mit anderen Emblemen, steckte. Wir, die Angehörigen der Waffen-SS, deren über 900 000 Mann in 38 Divisionen und Brigaden im Kriege über 360 000 Kameraden zu beklagen hatten, waren Frontverbände und fühlten uns als solche den Heereseinheiten gleichgestellt. Wir wollten mit politischen Organisationen nicht zusammengebracht werden und hatten mit Parteikadern nichts zu tun. Doch nun konnte man annehmen und dies war sehr wahrscheinlich, dass die Alliierten keine Unterschiede machen würden.

Bei den bedrückenden Gedanken machten noch kursierende Berichte über Massenmorde und Greueltaten auf unserer Seite in den KZs die Runde. Befohlene, fabrikmäßig durchgeführte Menschenabschlachtung! Die meisten waren schockiert, andere ahnten Böses und wussten nichts Genaues, doch einige waren im Bilde und keiner sprach bisher darüber. Täglich tauchten neue Hiobsbotschaften auf, über menschenunwürdige Vergehen und verbrecherische Taten, die man uns jetzt anlastete und welche auf lange Sicht den deutschen Namen beschmutzen sollten.
Als wenn die bisher überstandenen Schrecken der letzten Agonie des Krieges nicht genug gewesen wären, fiel immer noch ein neues Unheil über einen her. Eine Welt brach zusammen. Was bisher galt, woran man sich zu klammern versuchte und ein wenig Hoffnung auf ein Weiterleben hegte, war mit einem Schlag null und nichtig. Man fühlte sich hintergangen, verraten und im jugendlichen Glauben von der Führung im Stich gelassen. Von einer Führung, welche ihre Jugend in eine angebliche Pflicht verstrickte und sie schonungslos für ihre wahnwitzigen Ideen opferte. Das wurde bereits an der Invasionsfront und bei der hoffnungslosen Ardennen-Offensive besonders deutlich. Jetzt wurde das von den meisten in der ganzen Tragweite erkannt. Enttäuschung und Wut stiegen auf im seelisch-moralischen Zusammenbruch.

Es war zu viel ... Ich war sozusagen am Boden zerstört und verfiel in Lethargie. Psychisch und physisch auf dem Tiefpunkt, plagten mich seit einiger Zeit Schwächeanfälle und hartnäckiger Durchfall. Ein innerlicher, fiebriger Zustand mit schmerzhaftem Rheumaziehen in Gelenken und Muskeln laugte den Körper aus. Es war die logische Quittung für lange Tage und Nächte im Freien und die nervenaufreibenden Kampfeinsätze bei der Kampfgruppe Wienerwald. Von einer Abhilfe konnte ich in jetziger Lage nicht mal träumen. Hinzu kam noch, dass mich die letzten Schrecken der Front nicht mehr losließen. Sie verfolgten mich in den Nächten im Traum. Ich stand immer wieder an der Front im Einsatz und erlebte die infernalischen Angriffe der Russen mit ihrem Urrräää-Geschrei, bis mich mein Nebenmann aufrüttelte und in die Wirklichkeit zurückholte. Die nächtlichen Schreianfälle waren mir peinlich und ich versuchte stundenlang nicht einzuschlafen. Aber auch andere in meiner Umgebung kämpften in den Nächten mit dem Erlebten.

Die Wehrmachtskameraden, in deren Reihe ich aufgenommen wurde, kamen wesentlich besser mit den Umständen zurecht. Sie waren etwas älter und hatten miteinander in einer Einheit die letzte Zeit des Krieges überstanden. Sie alle hatten ein Zuhause, Familien, Bräute und Berufe und waren durch und durch anständige Kerle. Als unbeteiligte Zuhörer lauschte ich gerne ihren Unterhaltungen über ihr Privatleben ohne den Barras. Über längere Zeit waren sie in allen möglichen Fronten eingesetzt, doch jetzt sprach man nicht mehr darüber. Aufgrund meiner nächtlichen Kriegsvisionen musste ich widerwillig ihre Fragen über die letzten Fronteinsätze beantworten. Nach der kurzen Schilderung des "Wienerwald-Szenarios" wurde es still in der Runde der alten Landser. Man tauschte vielsagende Blicke miteinander aus.

Meine Situation war ziemlich hoffnungslos. Nicht nur, dass ich von meinen Angehörigen seit Monaten kein Lebenszeichen erhielt, hatte ich doch weder eine Ahnung noch eine Vorstellung über ihr Schicksal. Ich hing jetzt nach Kriegsende praktisch in der Luft und war heimatlos. Nach einer Entlassung – irgendwann, wenn ich das hier überleben sollte – wusste ich nicht einmal, wohin ich mich wenden sollte. Gerhard, mein Nebenmann, ein Obergefreiter aus Wurzen bei Leipzig, erwies sich als ein echter, hilfsbereiter Freund. Als ich im Fieber lag und mich kaum auf den Beinen halten konnte, kümmerte er sich um mich, holte mir Trinkwasser und meine Suppenportion und half mir beim Aufrichten. In meiner Schwäche war ich einige Male umgesegelt.

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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
ein wissenschaftliches Großprojekt des Landes

Näheres zum Projekt, sowie zur detaillierten Publikationsliste (Stand Oktober 2007) ...