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Kriegsgefangenenlager Aigen Schlägl

Verschwiegen – Vertuscht – Verdrängt
Aigen-Schlägl 1945

Die Broschüre
Vorwort
Anmerkung zur Darstellung des Kriegsgefangenenlagers
Skizze vom Gefangenenlager
Georg Jestadt: In amerikanischer Kriegsgefangenschaft
Der Bericht von Kurt Hädicke
Der Bericht von Werner Barmann
Ein US-KZ in Deutschland
Schreiben vom Schwarzen Kreuz
Einweihung einer Gedenktafel am 6. 6. 1997
Festansprache von Dir. J. Gruber
Einsegnung der Gedenktafel
Bericht der Zeitschrift "Der Freiwillige"


Kunst u. Zeitgeschichte:
Herbert Friedl - Maler,Grafiker; Objekt- und Raumkünstler

Timeline zur Oberösterreichischen Zeitgeschichte 1938

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zur Zeitgeschichte


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Geschichteclub Stahl



Der Bericht von Werner BarmannGeorg Jestadt: In amerikanischer KriegsgefangenschaftTodeslager für deutsche Kriegsgefangene und
ein ungesühntes Verbrechen der US-Armee


Der Bericht von Kurt Hädicke, Jahrgang 1919

Damals Leutnant bei einer Kampfgruppe des Heeres im Großraum südlich von Wiener-Neustadt (Foto Kurt Hädicke).

Kurt Hädicke
Die Russen waren mit starken Armeen aus Ungarn durchgebrochen und hatten die Grenze in Burgenland und Niederösterreich überschritten. Die Stellungen konnten nicht gehalten werden. Für unsere Truppe folgten sehr harte und verlustreiche Abwehrkämpfe. Um den 22. April 1945 erhielt ich den Befehl, mich mit den Resten meiner Kampfgruppe, ca. 30 bis 50 Soldaten, alles Fahnenjunker von der Kriegsschule Wiener Neustadt, sofort in kleinen Gruppen nach Grafenberg bei Steyr in Marsch zu setzen.
Meldung bei der "Führerreserve SÜD". In dieser Einheit wurden alle verwundeten und versprengten Offiziere, vom Leutnant bis zum Hauptmann, deren Einheiten zerschlagen waren, gesammelt. Es erfolgten neue Einsätze.

Ungefähr am 5. Mai erhielt ich den Befehl, mit ca. 40 Kameraden per LKW sofort über Krems nach Horn zum Einsatz an die Front zu fahren. In einem Dorf nördlich von Krems erreichte uns die Kapitulation.
Gemeinsam mit einer 8,8-Flakbatterie, noch getrennt durch die Donau, die Russen bereits im Nacken, versuchten wir uns mit den Resten einer Infanterieeinheit über Stock und Stein zu den Amerikanern nach Westen durchzuschlagen. Freistadt war die Demarkationslinie. Diese Rückzüge, Flucht vor den Russen, kann nur der verstehen, der eine solche chaotische Absetz-
bewegung mitgemacht hat.

Der Zeitpunkt, bis 9. Mai, ein Uhr zu den Amerikanern zu kommen, war nun gegeben. Wir erreichten dieses Ziel erst am 10. Mai. Am Ortseingang wurden wir von den Amis entwaffnet und auf eine große Wiese, welche an eine Sandgrube anschloss, getrieben. Hier lagerten bereits viele Tausende Soldaten aller Waffengattungen, Heer, Luftwaffe wie Nachrichten-Helferinnen, Krankenschwestern und Zivilisten, Jung und Alt. Außerdem unzähliges Kriegsmaterial und Fahrzeuge. Von einer sicheren Bewachung war nicht zu sprechen. Es herrschte ein wildes Durcheinander. Die US-Armee war dem in den ersten Stunden und Tagen nicht gewachsen. Das Gelände war nach der einen Seite ansteigend und erreichte nach ca. zwei km einen Waldrand.

Für mich und einen Teil meiner Kameraden war klar, sofort einen Fluchtversuch mit Fahrzeugen zu unternehmen. Schwimmwagen, Panzerspähwagen mit einer riesigen Kanone, Sanka usw. schlossen sich sofort an. Es müssen ca. 20 bis 30 Fahrzeuge voll besetzt mit Gefangenen aller Art und Geschlecht gewesen sein. Wir erreichten den Waldrand ohne große Probleme. Auf Wald- und Feldwegen erreichten wir in halsbrecherischer Fahrt den Ort Rohrbach. Dort wurden wir von einem Ami-Panzer aufgebracht und letzten Endes unter weiteren Fluchtversuchen und letztlich Auflösung unseres wilden Haufens in das Lager Aigen gebracht.

Das war ungefähr am 13./14. Mai. Von dort habe ich mit einem Major, der nur einen Arm hatte, nachts drei Fluchtversuche unternommen. Den Fluss, die Große Mühl, der die eine Seite des Lagers begrenzte, haben wir dabei durchschwommen. Leider wurden wir am Tag stets wieder eingefangen. Beim letzten Versuch hatten wir fast die deutsche Grenze erreicht.
Im Lager selbst war die Unterbringung in selbst gegrabenen Erdlöchern. Wer Glück hatte, konnte sich mit Blech oder Holz etwas abdecken. Die herumstehenden Wehrmachtsfahrzeuge waren in wenigen Stunden total auseinander genommen worden. Verpflegung gab es von den Amerikanern nicht. Es wurde alles, was irgendwie essbar war, gesammelt, um zu überleben.
Sanitäreinrichtungen gab es ebenfalls keine. Irgendwo wurde später eine behelfsmäßige Latrine ausgehoben. Sehr viele Darmerkrankungen traten auf. Ergebnis: viele Sterbefälle. Ich erinnere mich auch, dass es keine Möglichkeiten zum Waschen gab. Wer an den Bach wollte, wurde sofort von den Posten beschossen. Die vorhandenen Holzstapel des Sägewerks waren sehr schnell verschwunden. Sie wurden zum Abdecken und vor allem für kleine Feuer verwendet. Die Bewachung bestand im großen Außenring aus Panzern und Panzerspähwagen. Dazwischen ritten amerikanische Soldaten wie Cowboys Streife. Innerhalb des Lagers hat sich kaum ein amerikanischer Soldat sehen lassen bzw. getraut. Es gab keine Umzäunung.

Das SS-Lager war bei meiner Ankunft noch nicht vorhanden. Es wurde einige Tage später eingerichtet. Mein Erdloch war nach dem dritten Fluchtversuch in der Nähe des Eingangs und nicht weit von der amerikanischen Kommandantur (Sägewerk). Wahrscheinlich, um uns besser kontrollieren zu können. Ein Vorteil dabei war, dass wir die Vorgänge in der Kommandantur und im SS-Lager besser beobachten konnten. Obwohl es uns allen nicht gut ging, haben wir die Kameraden der Waffen-SS mehr als bedauert.
Von den Wehrmachtsangehörigen durfte niemand auch nur in die Nähe dieses Lagers, sofort wurde geschossen. Aus der heutigen Sicht hatten die Kameraden der Waffen-SS bei der Auflösung des Lagers uns gegenüber einen großen Vorteil: Sie wurden nicht an die Russen ausgeliefert.

An einem Pfingsttag 1945 bemerkte ich mit einigen anderen Kameraden, dass ein russischer Jeep mit einem sowjetischen General auf der Landstraße in Begleitung von amerikanischen Offizieren zur Lagerleitung fuhr. Sofort kam uns der Gedanke, dass wir an die Russen ausgeliefert werden sollten. Man durfte das jedoch nicht offen sagen, weil es keiner wahrhaben wollte. Neben unseren Erdlöchern lag eine halbwegs intakte Sanitätskompanie. Der Stabsarzt hatte die gleichen Beobachtungen gemacht und war auch der Ansicht wie ich: Auslieferung. Das wurde noch erhärtet durch das Verhalten der Amis. In den nächsten Tagen erfolgten über Lautsprecher usw. Ansagen wie:
Alle Einflieger der Luftwaffe, alle Mitarbeiter an den V-Waffen und alle Angehörigen der Waffen-SS sollten sich sofort in der Kommandantur melden. Sie kamen anschließend nicht mehr in ihre Erdlöcher zurück. Damit war für mich und viele andere klar, dass etwas in Vorbereitung war. Der Stabsarzt impfte jeden, der wollte, mit allen noch zur Verfügung stehenden Impfstoffen. Drei Tage lang konnten wir kaum liegen noch sitzen. Ich bin überzeugt, dass diese Aktion, welche die Amerikaner nicht gemerkt haben, mir und vielen Kameraden das Leben gerettet hat. Ich erkrankte später sehr in der mehrjährigen russischen Gefangenschaft unter unmenschlichen Bedingungen. Der Stabsarzt machte einigen SS-Angehörigen die Blutgruppen unter dem linken Oberarm heraus. Es wurden Verwundungen und Ähnliches praktiziert.

Anfang Juni begannen die Transporte per LKW in die "Heimat". So sagten uns die Amerikaner. Sie hatten Angst vor einem Massenausbruch.

Ich gehörte zu den ersten Verlegungen. Wir waren alles Offiziere. Hinter jedem zweiten LKW fuhr ein Jeep mit Vierlings-MG. Bereits nach wenigen Kilometern war klar, in welcher Richtung wir unsere neue Heimat suchen mussten. Budweis in der Tschechei war das Ziel. Dort erfolgte die Übergabe an die Russen. Vorher haben uns die schwarzen Fahrer alle Uhren usw. abgenommen, mit den Worten: "Russisch Iwan machen euch alle kaputt." Von dort begannen die schweren endlosen Märsche nach Döllersheim im Raum Zwettl/Horn in Niederösterreich.

Der Marsch dahin war die Hölle. Wir wurden von der tschechischen Bevölkerung derart misshandelt, dass die außen laufenden Kameraden teilweise schwer verletzt wurden. Es ging zeitweise so weit, dass uns die russischen Posten vor dem Mob geschützt haben.
Für viele Kameraden endete dabei das Leben. Wer vor Schwäche liegen blieb, erhielt einen Genickschuss. Im Transport waren viele Österreicher. Ein Teil versuchte unterwegs abzuhauen. Dann hämmerten sofort die MGs. Trotzdem dürfte es einer Anzahl von Kameraden gelungen sein, ihre Heimat zu erreichen. Zu zweit habe ich mit einem Kameraden einen Verwundeten bis nach Döllersheim mitgeschleppt.
Dort lagen dann ca. 100 000 Kriegsgefangene unter freiem Himmel auf Feldern und Wiesen.
Viele Wochen später begann man Eisenbahntransporte nach Russland vorzubereiten. Laut Lagerparolen hieß es, Döllersheim müsse geräumt werden, weil die Amerikaner das Gebiet übernehmen würden.

Irgendwann ging es los. Der Zug hatte den ersten Aufenthalt bei Lippnitz/Tschechei. Es hieß:
Militär- und Bauzüge hätten Vorfahrt. Das hieß für uns: Standzeit ca. sechs Wochen. Entsprechend waren die Verhältnisse im Transportzug. Danach, nach mehreren Kurzaufenthalten, kam ein weiterer Stopp an der Bahnstation, an der auf Breitspurschienen gewechselt wurde. Das dauerte ungefähr eine Woche.

In der Sowjetunion habe ich dann weitere fünf Kriegsgefangenenlager durch- und überlebt. Zuerst kamen wir in ein Hauptlager in Lemberg. Hier wurden Gruppen eingeteilt für so genannte Winterlager. Meine Gruppe wurde in einem alten Kloster untergebracht. Der Ort hieß Solotschkow. Später war ich in den Lagern Shitomir, Rowno und Kamenez-Podolsk. Wir mussten in Panzerreparaturwerkstätten und im Häuserbau arbeiten und wurden später ins Donez-Becken verlegt. Im Raum Stalino-Markieffa wurden wir beim Eisenbahnbau eingesetzt. Dort wurde ich krank – es war 1947 – und kam für längere Zeit ins Lazarett. Im Sommer 1948 wurden wir in zwei kleinen Lagern auf die Entlassung in die Heimat vorbereitet. Im Dezembeer 1948 wurde ich dann endlich nach drei Jahren und sechs Monaten von Russland wieder in meine Heimat entlassen. Bis dahin hatte ich einen weiten Weg hinter mich gebracht, den ich nie mehr vergessen werde.

Kurt Hädicke


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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
ein wissenschaftliches Großprojekt des Landes

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