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Brigitta Doppler, geb. Schneidergruber
Erinnerungen aus meiner Kindheit in Rohrbach und Herzogsdorf

Einleitung
Fliegerangriff
Mein Bruder Gottfried
Meine Freundin Helga
Notzeit
Tiefflieger / Beim Windner, Hilkering 6
Die amerikanischen "Befreier"
Gendarm erschossen
"Die Russen kommen"
Russeneinquartierung

Papa kehrt heim am 6.4.1946
Schulzeit
Der weiße Wecken
Landleben im Jahreskreis


Was Mama erzählte.
Berta Schneidergruber
erzählte verschiedene G´schicht´n, die Tochter Brigitta Doppler, aufschrieb.


Zeitzeugenberichte

Publikationen
zur Zeitgeschichte


www.regionalkultur.at
Geschichteclub Stahl



Gendarm erschossenTiefflieger / Beim Windner      Die amerikanischen "Befreier"


Anfang Mai war es noch sehr kühl, vom Frühling keine Spur, kein einziger Baum blühte. Nach der Maiandacht hörte man im Nordwesten Geschützdonner und in der Nacht war der Himmel ganz rot; alle am Hof waren sehr aufgeregt. Später erfuhren wir, dass in Rohrbach beim Einmarsch der Amerikaner unter anderem auch unsere Wohnung durch Granaten zerstört und der Schuppen in Brand geschossen worden war. Die Hopfenstangen, die uns die Hausfrau nicht verkauft hatte und die wir so notwendig zum Heizen gebraucht hätten, sind dabei alle verbrannt.

Am nächsten Morgen fuhr Mama mit dem Rad fort, um etwas zum Essen einzukaufen und beim Müller ein Säckchen Getreide mahlen zu lassen, das sie von irgendeiner Bäuerin gehamstert hatte. Da es endlich etwas wärmer war, ging ich mit meinem Bruder zum Nachbarn. Plötzlich kamen Fahrzeuge, Jeeps und Lastkraftwagen die Hofzufahrt herauf.
Mit Gottfried an der Hand lief ich zurück, um das große Tor zuzuwerfen, doch mein einjähriger Bruder konnte mein Tempo nicht mithalten und fiel hin.
Da brauste der erste Jeep schon in den Hof hinein. Die Amerikaner hatten eine Karte, auf der die beiden Höfe eingezeichnet waren, und beschlagnahmten sofort unsere winzige, bescheidene Wohnung. Ich wollte noch für Gottfried etwas aus der Wohnung holen, da lagen die fremden Männer in voller Uniform samt Stiefeln in unseren Betten und wiesen mich schroff hinaus.

Auf der Straße, die in weitem Bogen Richtung Herzogsdorf hinaufführt, wälzte sich, soweit das Auge reichen konnte, eine riesige Kolonne von Heeresfahrzeugen herunter. Panzer scherten aus und pflügten rasselnd querfeldein auf unseren Hof zu, den sie sogleich umzingelten. Die Spuren der Verwüstung auf den Feldern und Wiesen konnte man noch lange erkennen.
Mama musste auf ihrem Heimweg die ganze Zeit auf ihrem Rad neben den langsam fahrenden und teilweise anhaltenden Heeresfahrzeugen fahren und hatte schreckliche Angst vor den Soldaten, die sie teilweise anzüglich anstarrten, aber ungehindert vorbeiließen.
Als sie endlich heimkam und sich halbwegs in Sicherheit wähnte, musste sie feststellen, dass auch der Hof voller Amerikaner und Fahrzeuge und unsere Wohnung besetzt war.
Man ließ sie einfach nicht mehr hinein, sondern sie wurde gezwungen, vor den Soldaten durch das ganze Haus, den Dachboden, den Heuboden und die Scheune vorausgehen, und die bewaffneten Männer folgten ihr mit der Waffe im Anschlag.
Sie hatten offenbar Angst, dass deutsches Militär im Haus versteckt sei. Als sie nichts fanden, machten sie es sich weiterhin in unserer Wohnung bequem und verlangten, alle Hausbewohner sollten auf dem Heuboden schlafen. Doch meine Mama weigerte sich, sie stritt mit dem Captain und erreichte, dass alle Bauersleute und alle im Bauernhaus anwesenden Personen, das waren vier oder fünf Erwachsene und sechs Kinder, in der so genannten oberen Stube schlafen durften. Es war zwar sehr beengt, ich musste mit Gottfried im Gitterbett schlafen, es war aber trotzdem noch besser als der Heuboden.

Zum Entsetzen der Bauersleute entzündeten die Soldaten dann im Hof und vor dem Haus große Feuer, um ihre Mahlzeiten zu kochen und sich zu wärmen, denn die Nächte waren noch sehr kühl. Der ganze Hof hätte dabei abbrennen können, da das Haus teilweise noch mit Stroh gedeckt war.
Einige der Kinder, die mit uns im Haus wohnten, weinten vor Angst, da gab uns einer der Soldaten Schokolade. Solche hatten wir schon lange nicht gehabt. Meine Neugierde war größer als die Scheu, und weil ich auch nicht in unsere Wohnung hineindurfte, strich ich im Hof umher und beobachtete die Soldaten, darunter waren auch einige Schwarze. So dunkelhäutige Menschen, damals sagte man Neger, hatte ich auch noch nie gesehen. Wenn sie lachten, blitzten ihre Zähne besonders weiß, bei manchen anderen blitzten sie ganz golden. Einer der Soldaten hatte vom Handgelenk bis über den Ellbogen hinauf lauter verschiedene Armbanduhren umgeschnallt. Wem die wohl früher gehört haben, schaut der jetzt jeden Tag auf eine andere Uhr? Die khakifarbenen amerikanischen Uniformen waren ganz anders als die deutschen und hatten viel mehr Taschen. Die Männer hatten keine schwarzen Stiefel bis zu den Knien wie Papa, sondern hohe geschnürte Schuhe.

Nach einigen Tagen zog ein Trupp Amerikaner ab und wir konnten wieder in unsere Wohnung hinein. Dort herrschte große Unordnung und einige Wertgegenstände, unter anderem eine Uhr meiner Mutter, fehlten, aber wir waren trotzdem froh, dass wir wieder allein waren und uns nichts geschehen war.

Doch dann kam die Moam, eine sehr liebe alte Frau, aus dem Nachbarhaus ganz aufgeregt in den Hof gelaufen und schrie: "Kemmts außa, da drent san so viel Auto, ich glaub´, die woll´n ummerschießen!" Wir liefen alle auf die Einfahrt und sahen mehrere Fahrzeuge, deren Geschütze auf unsere beiden Bauernhöfe gerichtet waren.

Die Amerikaner hatten angeblich Uniformierte vom Wagenschuppen über die Wiese hinunter Richtung Wald laufen sehen und wollten schon das Feuer auf die Häuser eröffnen, wenn sie nicht uns Kinder und alle sonstigen Hausbewohner gesehen hätten. Ich glaube, die alte Frau hat uns das Leben gerettet. Wenn wir nicht alle hinausgelaufen wären, hätten die Amerikaner wahrscheinlich auf die beiden Höfe geschossen.

Später erzählte Mama, dass an dem Tag, als sie auf dem Weg zur Mühle war, drei deutsche Soldaten aus dem Wald auf sie zugelaufen kamen. Sie war fürchterlich erschrocken, doch dann erkannte sie, dass sie völlig erschöpft waren und nur wissen wollten, wo sie sich eigentlich befanden und wie sie auf dem kürzesten Weg zur Donau kämen. Es waren blutjunge Buben, die man noch schnell in eine Uniform gesteckt hatte.
Sie erklärte ihnen den sichersten Weg, riet ihnen aber, einzeln zu den nächsten Bauern zu gehen, um Zivilkleidung zu erbitten, und die Uniformen möglichst tief im Wald zu vergraben. Sie wünschte ihnen noch viel Glück und die drei bedankten sich und waren im nächsten Augenblick wieder im Wald verschwunden.


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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
ein wissenschaftliches Großprojekt des Landes

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