Home

Wie ich als Elf- bis Zwölfjähriger die Endzeit des
Krieges und die Jahre unmittelbar nach 1945 erlebte

Meine Erinnerungen - Einleitung
Die Kriegs- und Notzeit vor und nach 1945
Was sich damals in Puchenau ereignete
Bomben auf Puchenau
Der große Bombenangriff
Bei der Hitlerjugend
Im Dienste der Gemeindeverwaltung
Die letzten Tage vor Kriegsende
Keine Angst?
Die Besatzungszeit nach dem Einmarsch der Amerikaner
Die letzten Tage im Mai 1945. Wie wir lebten
Die Russen sind da. Die Donau als Demarkationslinie.
Mein Vater war Nationalsozialist


Kunst u. Zeitgeschichte:
Herbert Friedl - Maler,Grafiker; Objekt- und Raumkünstler

Timeline zur Oberösterreichischen Zeitgeschichte 1938

Zeitzeugenberichte

Publikationen
zur Zeitgeschichte


Heimatvertriebene


www.regionalkultur.at
Geschichteclub Stahl



Im Dienste der GemeindeverwaltungDer große BombenangriffBei der Hitlerjugend bzw. dem DJ, dem deutschen Jungvolk


Dieser Organisation waren, wie ja allgemein bekannt sein dürfte, alle Jugendlichen zwischen zehn und vierzehn Jahren angeschlossen. Wir trugen teilweise auch die übliche Uniform, die aber kriegsbedingt nur sehr unvollständig war. Sie bestand aus dem obligaten Braunhemd mit schwarzem Halstuch und Lederknoten. Als Hose war eine schwarze Schnürlsamthose mit Ledergürtel und Fahrtenmesser vorgesehen. Diese Dinge waren nirgends mehr aufzutreiben. Wir behalfen uns mit dunkelgrauen oder gewöhnlichen schwarzen Hosen. Weiße Stutzen und schwarze Schuhe waren wieder leichter zu kriegen und so sahen wir doch noch ganz passabel aus. Die Winteruniform bestand aus einer dunkelblauen Norwegerhose und einer Art Blouson, würde man heute sagen. Diese Uniform gab es 1944 nur noch auf Bildern. Wir behalfen uns im Winter mit einem warmen Pullover unter dem Braunhemd und langen Strümpfen zur kurzen Hose. Lange Strümpfe zur kurzen Hose waren für Buben bis zu 14 Jahren im Winter ganz allgemein üblich. Heute unvorstellbar!

Es gab auch Heimabende in der alten Volksschule, bei denen wir vor allem laut und hingebungsvoll sangen. Mangels geeigneter Führer – die meisten dafür vorgesehenen und geeigneten Leute waren inzwischen eingerückt – funktionierte aber der ganze Betrieb nicht mehr so recht.

Außer an die Heimabende in der Schule erinnere ich mich noch an die Geländespiele, eine Art Kriegsspiele, bei der zwei Parteien einander im Wald verfolgten und sich mit Tannenzapfen beschossen. Auch Turnübungen mir Rolle vorwärts, Hinlegen usw. in nassem Neuschnee wurden betrieben. Da gehörte schon viel Begeisterung dazu um das noch lustig zu finden. Besser in Erinnerung habe ich gewisse sportliche Übungen wie den 60-Meter-Lauf, mit der Stoppuhr gemessen, das Weitspringen und Werfen. In diesen drei Disziplinen erwarb ich mir ein Jugendleistungsabzeichen und war sehr stolz darauf.

Etwa einmal im Monat traf sich der Jungzug Puchenau am Sonntagmorgen und wir marschierten singend nach Ottensheim. Dort trafen wir uns mit den Ottensheimern und Waldingern, die zu unserem Fähnlein gehörten, wie das hieß. Auf dem Marktplatz fand jeweils eine Kundgebung statt und wir sangen das Horst-Wessel-Lied und "Vorwärts, vorwärts schmettern die hellen Fanfaren." Das hat mir teilweise ganz gut gefallen und ich war von den Liedern beeindruckt. Da ich mir mit dem Kontakt zu Gleichaltrigen, die außerdem in dem damals noch dünn besiedelten Puchenau rar waren, schwer tat, genoss ich irgendwie dieses organisierte Dabeisein. Obwohl mir der Betrieb an und für sich, als geborenem Einzelgänger und die Freiheit liebendem Individualisten, wenig gab.

Einmal war ich auch auf einem Lager in der Nähe von Ottensheim. Es befand sich ungefähr eine Stunde von Ottensheim entfernt oberhalb des Bleicherbaches auf einer Waldlichtung. Da waren drei große Zelte mit je ungefähr zehn Buben besetzt. Jedes erhielt den Namen eines berühmten Feldherrn. Eines davon hieß Blücher, vielleicht war dies unseres. Es gab Lagerfeuer, Gulaschkessel, Tee und Suppe. Jeder hatte sein eigenes Kochgeschirr. Das Essen war viel zu wenig, ich hatte immer Hunger. Wir saßen rund um das Lagerfeuer auf Steinen, die wir auf Kommando gleich am ersten Tag aus dem etwa 100 Meter tiefer liegenden Bachbett aufklauben und heraufschleppen mussten. Ich habe mich bei diesem Lager, obwohl es die einzige Möglichkeit war einmal von daheim weg zu kommen, nicht recht wohl gefühlt. Erstens hatte ich Heimweh, zweitens Hunger und drittens machte das organisierte Lagerleben wenig Spaß. Die meiste Zeit marschierten wir auf in der Nähe befindlichen, meist sumpfigen, frisch gemähten Wiesen hin und her. Alles barfuß! Obwohl ich das gewöhnt war, stachen mich die Grasstoppeln und Disteln jämmerlich und ich bekam ganz zerkratzte Füße mit Wunden, die teilweise eiterten. Bei aller Freude am Dabeisein war das nicht angenehm und ich war froh, als dann die Woche um war. Vorher kam dann noch die Nachricht vom Attentat auf den Führer durch, was Anlass für eine Schulung und einen Appell zum Durchhalten gab. Was dabei gesprochen wurde, weiß ich nicht mehr. Sicher war es wenig schmeichelhaft für die Attentäter.

Dann erinnere ich mich noch an ein Großtreffen in Traun. Wahrscheinlich aus dem ganzen Gau Oberdonau. Die Reise in das etwa 15 km von Linz entfernte Traun ging blitzschnell. Mir schien das jedenfalls so. Im Vergleich zur Mühlkreisbahn raste dieser Zug mit unheimlicher Geschwindigkeit. Das machte Spaß. Bahnfahren freut mich bis heute, besonders wenn es ein flotter Schnellzug ist. In Traun selbst war die ganze Veranstaltung dann weniger lustig. Es gab verschiedene sportliche Bewerbe, unter anderem den mir schon bekannten 60-Meter-Lauf sowie Weitspringen und Werfen. Das ging noch an. Dann gab’s wieder Singen, Musik und Kundgebungen, was mich langweilte. Das Fest dauerte zwei Tage. Für die Nacht wurden wir in einer Schule untergebracht. Wir schliefen in ausgeräumten Klassenzimmern auf Strohsäcken am Boden. Hier packte mich am Abend meist der Heimwehjammer. Ich war sehr froh, als ich endlich heimfahren konnte.

Die Abneigung gegenüber Großtreffen und Massenveranstaltungen jeder Art ist mir mein ganzes Leben über geblieben. Das ist nichts als sinnlose Wald-und-Wiesen-Reden hören, Zeitverschwendung und leeres Stroh dreschen. Auch nach 1945 hat sich daran nichts geändert und freiwillig brachte mich mein ganzes Leben lang nichts mehr zu einer Massenveranstaltung.



nach oben(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13)


"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
ein wissenschaftliches Großprojekt des Landes

Näheres zum Projekt, sowie zur detaillierten Publikationsliste (Stand Oktober 2007) ...