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Wie ich als Elf- bis Zwölfjähriger die Endzeit des
Krieges und die Jahre unmittelbar nach 1945 erlebte

Meine Erinnerungen - Einleitung
Die Kriegs- und Notzeit vor und nach 1945
Was sich damals in Puchenau ereignete
Bomben auf Puchenau
Der große Bombenangriff
Bei der Hitlerjugend
Im Dienste der Gemeindeverwaltung
Die letzten Tage vor Kriegsende
Keine Angst?
Die Besatzungszeit nach dem Einmarsch der Amerikaner
Die letzten Tage im Mai 1945. Wie wir lebten
Die Russen sind da. Die Donau als Demarkationslinie.
Mein Vater war Nationalsozialist


Kunst u. Zeitgeschichte:
Herbert Friedl - Maler,Grafiker; Objekt- und Raumkünstler

Timeline zur Oberösterreichischen Zeitgeschichte 1938

Zeitzeugenberichte

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zur Zeitgeschichte


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Geschichteclub Stahl



Die Russen sind nun wirklich da. Die Donau als Demarkationslinie.Die Besatzungszeit nach dem Einmarsch der AmerikanerDie letzten Tage im Mai 1945 in Puchenau.
Wovon und wie lebten wir eigentlich?



Ungefähr Anfang April, als sich das Ende immer mehr abzeichnete, erhielten wir eine letzte große Lebensmittelzuteilung. Zusätzlich zu den Lebensmittelmarken wurden Kontingente an Mehl, Zucker, Teigwaren, Erbsen, Bohnen, Linsen und vor allem Brot für zwei bis drei Monate im Voraus aufgerufen. Unsere Speisekammer war in diesen Tagen also mit Vorräten ziemlich reichlich gefüllt. Auch Kartoffeln hatten wir noch reichlich im Keller. Frisches Gemüse gab es der Jahreszeit entsprechend aus dem Garten, um den sich Großmutter mit Geschick und Eifer bemühte. Das Brot, zum größten Teil war es gut haltbares so genanntes Kommissbrot, wurde langsam ein wenig altbacken. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde dieses letzte Brot in einer Militärbäckerei, die im Bootshaus untergebracht war, gebacken. Ich glaube, wir holten es auch dort ab. Die anderen Waren bezogen wir aus einem der zwei winzigen Gemischtwarenläden in Puchenau, die zum Schluss nur noch leere Regale aufwiesen. Die Versorgung mit Lebensmitteln war also durch diese Sonderaufrufe bis in den Juni 1945 hinein einigermaßen gesichert. Und das war gut so. Denn in den ersten Wochen gab es wirklich nichts zu kaufen, auch keine Lebensmittelmarken, wirklich nichts. Kein Wunder. Die Lager und Vorräte waren erschöpft. Das Verkehrswesen und die Organisation der Versorgungsunternehmen und der Behörden waren zusammengebrochen. Zu den kriegsbedingten Schwierigkeiten und Ausfällen kamen noch personelle Schwierigkeiten. Ehemalige NS-Parteigenossen mussten aus ideologischen Gründen, auch wenn sie als Fachleute dringend gebraucht wurden, aus der Verwaltung entfernt werden. Qualifizierter Ersatz war nicht immer gleich vorhanden. Viele Leute waren an der Front gefallen, vermisst oder befanden sich zu dieser Zeit noch in Gefangenschaft. Die Folge war ein allgemeines Chaos und es dauerte einige Wochen und Monate, bis die wichtigsten staatlichen und wirtschaftlichen Organe wieder einigermaßen funktionierten.

Im Laufe des Juni 1945 gab es wieder erste bescheidene Zuteilungen von Grundnahrungsmitteln und endlich wieder Strom. Von etwa Mitte April an bis, ganz genau weiß ich das nicht mehr, etwa Anfang Juli war anfangs nur noch fallweise, dann überhaupt kein Strom mehr da. Abends mussten wir daher Kerzen verwenden, und zwar sparsam, denn neue waren vorläufig nicht zu kriegen. Das war aber weiter nicht so tragisch. Es war Sommer und der Tag dauerte lange.

Schwer wiegender als das Beleuchtungsproblem war: Kein Strom, das bedeutete: Auch kein Wasser! Unsere alte Schlosswasserleitung, die uns damals über eine kleine Pumpanlage versorgte, war ohne Strom außer Betrieb. Mutter hat sich da wirklich was mitgemacht. Wir Kinder mussten alles benötigte Wasser für die Küche, aber auch für die unbedingt notwendige Wäsche aus der etwa 500 Meter entfernten Sammelzisterne, in welche die Quelle auch ohne Pumpe lieferte, holen. Mit einem Leiterwagen transportierten wir mehrmals am Tage einige Töpfe und Kannen. Die Wäsche zum Schwemmen brachten wir mittels eines Radelbockes zu einem noch weiter entfernten kleinen Bach.

Die Milch besorgten wir bei einem Bauern. Erst im letzten Kriegsjahr, als auch die Milch in die Totalbewirtschaftung einbezogen worden war, hatten wir diese bei einer Milchlieferstelle erhalten. Diese Beziehung zu unserem Bauern lebte nun wieder auf. Großmutter organisierte das, soweit ich mich erinnern kann. Dreimal in der Woche erhielten wir da drei Liter. Da das für eine Familie mit vier Kindern ein bisschen wenig war, wurde noch ein zweiter Bauer als Lieferant gefunden. Natürlich durfte einer vom anderen nichts wissen. Hier gab es auch drei- oder viermal die Woche Milch zu holen. Das war mein Geschäft. Beide Bauern befanden sich, in jeweils anderer Richtung, ungefähr eine Gehstunde von daheim entfernt. Jeden Tag, an einigen sogar zweimal, rückte ich daher meist früh am Morgen mit unserer Dreiliterkanne im Rucksack aus. Diese Wanderungen machten mir großen Spaß. Meist war ich alleine. Es gab noch keine Straßen, sondern nur wenig befahrene Karrenwege und Fußpfade als Abkürzung. Die Höfe lagen alle recht einsam. Die Blumen blühten, die Vögel sangen und die Grillen zirpten. Da es keine Schule gab, die war ja schon, wie anderwärts bereits berichtet, seit Jänner geschlossen, spielte die Zeit keine Rolle. Manchmal erhielt ich bei einem der Bauern auch ein Stückchen Brot. Das war ein wahrer Schatz, war ich zu dieser Zeit doch immer äußerst hungrig. Ich steckte dieses Brot vorerst ein, um den Genuss hinauszuzögern. Beim Heimweg an einem besonders schönen Platz setzte ich mich dann auf einem Stein nieder, goss ein wenig Milch in den Kannendeckel und aß dieses Brot ganz langsam und trank zu jedem Bissen einen Schluck köstlicher Milch. Noch heute liegt mir der köstliche Geschmack dieses festen Schwarzbrotes und der Milch auf der Zunge. Vielleicht schätze ich aus dieser Erinnerung heraus Schwarzbrot noch immer ganz besonders.



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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
ein wissenschaftliches Großprojekt des Landes

Näheres zum Projekt, sowie zur detaillierten Publikationsliste (Stand Oktober 2007) ...