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Kindheitserinnerungen von Franz Fochler:
Vom Herbst 1944 bis zum Schulbeginn 1947

Einleitung
Herbst 1944
Frühjahr 1945: Die Rückkehr des Vaters / Die Russen in Weitra
Sommer / Herbst 1945
1946: Fahrt nach Wien / Das Christkind
1947: Eine schwere Verletzung / Schulbeginn



Kunst und Zeitgeschichte

Timeline zur Oberösterreichischen Zeitgeschichte 1938

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Sommer, Herbst 1945Herbst 1944Frühjahr 1945

Die Rückkehr meines Vaters

Aus heiterem Himmel fielen überraschend Bomben auf die Wiese vor der Mühle, zum Glück konnte ich mich gerade noch in einem Wasserdurchlass unter einer Straße verstecken. Wurde aber dort ordentlich geschüttelt und zu Boden gedrückt. Ich hatte große Angst und spuckte etwas Blut. Bis zu diesem Zeitpunkt waren wir vom Krieg verschont. Der nahe liegende Verkehrsknotenpunkt und der Bahnhof Gmünd, auf dem sich Flüchtlingszüge stauten, waren das Ziel des Fliegerangriffes, übrig gebliebene Bomben wurden auf freiem Feld abgeworfen. Dies habe ich jedoch erst später erfahren.

Eines Tages saß ich gerade auf dem Geländer einer Eisenbrücke in der Nähe der Mühle, als dort einige Männer eine Panzersperre errichteten. Sie gruben vor der Brücke Baumstämme ein und errichteten so die Sperre.
Kaum waren sie fertig, kam ein Panzer angefahren, er fuhr auf die Brücke zu und hatte oben die Luken offen – zwei Soldaten schauten heraus. Der Panzer fuhr über die Brücke und durch die Sperre hindurch, da der Panzer kleiner war als die Durchfahrt. Kurz nach der Brücke begann der Panzer zu brennen und blieb stehen. Die Soldaten konnten sich befreien und flüchteten. Später tauchte das Gerücht auf, ich hätte eine brennende Fackel in den Panzer geworfen. Es konnte aber bewiesen werden, dass es ein Maschinenschaden war.

Mein Vater war bei der Fliegerabwehr in Südmähren eingesetzt. Er bekam selten und nur ein paar Tage Urlaub. In dieser kurzen Zeit konnte ich wenig Beziehung zu ihm aufbauen. Eines Tages hieß es: Die Russen kommen! Vor diesen löste sich in unserer Umgebung ein Teil der Wehrmacht auf. Vom Sägewerk aus beobachtete ich einen Soldaten, der auf unser Haus zuging. Ich erkannte sofort meinen Vater und lief auf ihn zu. Er freute sich unbändig, dass ich ihn erkannt hatte, und wir gingen gemeinsam nach Hause. Vorher versteckte er beim Sägewerk in einem Holzstoß seine Pistole. Er zog sofort in der Küche seine Uniform aus und legte sie auf einen Sessel. Er wusch sich seine braun gefärbten Haare und ergraute schnell und zog sein Müllergewand an. In der Zwischenzeit bereitete meine Mutter für alle ein Festessen. Die Haustüre öffnete sich und zwei russische Soldaten betraten das Zimmer, einer sprach gut Deutsch und fragte nach einem deutschen Soldaten, der hier gesehen wurde. Die Uniform lag noch immer auf dem Sessel, meine Eltern erklärten, dass der Soldat in Zivilkleidung weitergeflohen sei. Da mein Vater um vierzig Jahre älter war als ich, kamen sie nicht auf die Idee, dass er der Soldat sein könnte. Sie blieben beim Essen und zogen von dannen.


Die Russen in Weitra

Der beim Bauern Pöltzl beschäftigte polnische Zwangsarbeiter blieb aus Dank für die gute Behandlung beim Bauern und für die Zusatzverpflegung, die ihm meine Mutter immer wieder zusteckte, noch 14 Tage bei uns. Er schützte uns vor den nachfolgenden russischen Truppen. Trotzdem herrschte bewegtes Leben im Hof der Mühle, so musste meine Mutter für die Soldaten kochen, dadurch gingen unsere letzten Vorräte zu Ende. Eine so genannte „Brautkuh“, die bei der Familie Pöltzl ihr Gnadenbrot bekam, wurde geschlachtet, es gelang meiner Mutter aus dem älteren Tier faschierte Laibchen zu machen. Leider verbrauchte sie dabei unser letztes Fass Schweinefett, sonst hätte man das magere Fleisch nicht essen können.

Die russischen Soldaten waren sehr kinderfreundlich und so hatten wir keine Angst vor ihnen. Meine Schwester Anna, die ein Jahr jünger ist als ich, nahmen sie mit einem Motorrad im Beiwagen auf eine Rundfahrt mit.

Eines Tages kam ein Auto mit Soldaten und brachte vier Säcke Würfelzucker zum Mahlen in die Mühle. Sie beobachteten meinen Vater und mich genau, so dass wir nicht einen Würfel des begehrten Zuckers entwenden konnten. Trotzdem kamen nach dem Mahlen mit dem Mühlstein nur zwei Säcke Kristallzucker heraus. Sie merkten, dass offensichtlich ein Sack fehlte, und zogen enttäuscht ab. Nachdem sie weg waren, hoben wir die Verkleidung des Mühlsteines auf und rund um den Mühlstein lag der fehlende, fein gemahlene Zucker. Dort blieb auch immer Mahlgut liegen, bevor es weiterrann. Dieses hatte aber meine Mutter in den letzten Kriegstagen herausgekehrt. Jedenfalls waren wir für die nächste Zeit mit Zucker versorgt.

Nach einigen Wochen zogen sich die Soldaten in größere Ortschaften und Städte zurück. Wir lagen auch ca. einen halben Kilometer von der Durchfahrtsstraße entfernt, so dass wieder Ruhe einkehrte.

Im Schloss Weitra quartierten sich russische Soldaten ein, die dort hausten. Mein Vater musste sie mit Mehl versorgen. Über den steilen Schlossberg konnten die Pferde den Wagen nicht mehr ziehen und so trug er das letzte Stück die Säcke hinauf. Zwei aus Böhmen stammende Grafen halfen ihm und trugen jeweils einen Sack auf einer Sänfte den Berg hinan.


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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
ein wissenschaftliches Großprojekt des Landes

Näheres zum Projekt, sowie zur detaillierten Publikationsliste (Stand Oktober 2007) ...