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Die Amerikaner kommen

Die Tragödie von Attnang-Puchheim am 21. April 1945

Ein Zeitzeugenbericht des Herrn Erich Pühringer aus Linz

Meine Laufbahn bei der Reichsbahn
Rekrutierung zum Volkssturm
Ein Jagdbomberangriff
Der Bombenangriff auf Attnang-Puchheim


Die hier abgebildeten Fotos stammen aus dem Fundus des Herrn Helmut Böhm, die er freiherzig zur Verfügung gestellt hat. Sein Erlebtes erklärt und bereichert die Beschreibung des jungen Erich Pühringer sehr eindrucksvoll und erweitert sie mit Zahlen und Fakten von diesem grauenvollen Tag. Zwei US-Luftflotten mit 300 US-Bomber überfallen 14 Tage vor Kriegsende diesen kleinen Ort und werfen die irrwitzige Zahl von 2.338 Bomben auf eine ahnungslose Zivilbevölkerung! Wer hat dieses Massaker befohlen? Er forschte über fünfundzwanzig Jahre lang nach dem Warum, und schuf dabei ein Zeitdokument, das betroffen macht und erschüttert. Sein Buch: „Der Tag der Tränen“ ist ein Mahnmal „Nie wieder Krieg“ und ein Appell gegen das Vergessen.


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ArtikelanfangEin Jagdbomberangriff Der Bombenangriff auf Attnang-Puchheim


Ich war zu dieser Zeit als Rekrut in St. Georgen im Attergau und Zeuge dieses unheimlichen Infernos. Das Unheil begann vor dem Mittag. Ich erinnere mich noch sehr genau, es war Samstag der 21. April 1945, nach zehn Uhr, ein sehr klarer, milder und föhniger Tag, mit guter Fernsicht. Wir kamen von einer Geländeübung ins Lager zurück, als uns ein dumpfes, bedrohliches Brummen aufhorchen ließ.
„Das sind Flugzeuge, schwere Bomber“, rief einer von unserer Gruppe. Es mussten viele, sehr viele Flieger sein, davon waren wir alle überzeugt. Wir alle starrten in Richtung Attnang/Puchheim. Von unserem Lager aus konnte man die Flugzeuge schon gut sehen, sie flogen nicht wie üblich hoch, sondern etwa in einer Höhe von fünf- bis sechstausend Metern, man konnte den Beginn des Bombenabwurfes genau sehen. Die Bomben gingen wie ein Schnürlregen nieder.

Bombardierung Attnang-Puchheim
Bildquelle: Archiv Helmut Böhm

Da hörten wir auch schon schwach die ersten Bombendetonationen. Es dauerte nicht lange und es stiegen Staub- und Rauchwolken auf und die Luft begann zu flimmern. Ein Kamerad neben mir sagte: „Oh mein Gott, was für ein Wahnsinn.“ Ich versuchte mir vorzustellen, was sich im Ort und am Bahnhof für grauenvolle Szenen abspielten, wie verzweifelte Menschen in Panik um ihr Leben rannten. Wir alle waren aufgeregt und zornig. „Das sind Lancester“, sagte einer von uns. „Nein“, erwiderte ein anderer „das sind amerikanische Fortress-Bomber“. Wir schätzten die Entfernung zwischen uns und Attnang auf etwa zehn bis fünfzehn Kilometer Luftlinie. Kein einziger deutscher Jagdflieger war zu sehen, auch keine Flakabwehr. Es gab überhaupt keine Gegenwehr. Die Besatzungen der Bomber konnten ungehindert und unaufhaltsam ihre tödliche Bombenlast abwerfen. Wir standen lange da und blickten gebannt auf das Bombenziel. Nicht zum ersten mal wurde mir die Unmenschlichkeit dieses Krieges bewusst. Seltsam dachte ich, die fallenden Bomben ziehen alle eine Rauchfahne nach sich. Vielleicht aber sah das nur so aus, weil die Bomben durch die hochaufsteigenden Rauch-und Staubwolken der Explosionen fielen. Das Brummen der Flugzeuge und die Explosionen der Bomben schienen nicht zu enden. Die Stimmung im Lager war sehr gedrückt.
Wie wir später erfuhren, starben bei diesem Angriff vorwiegend wehrlose Zivilisten.
Nach Zeitzeugenberichten wurden die Schutzsuchenden auch noch von Begleitjägern mit Bordwaffen beschossen. Welch unvorstellbarer Albtraum. Die Frage, warum dieser Luftangriff wenige Tage vor Kriegsschluss erfolgen musste, konnte nicht eindeutig geklärt werden.
Dazu gab es viele Spekulationen. Eine Ansicht war, Attnang-Puchheim sei nur ein Ausweichziel gewesen. Andere vertraten die Meinung, die geplante Alpenfestung könnte der Grund gewesen sein. In Stainach-Irdning, wo auch meine Einheit stationiert war, befanden sich zu diesem Zeitpunkt viele Truppenverbände aller Art. In Aigen gab es einen Flughafen, von dem auch immer wieder Flugzeuge zur Flugaufklärung starteten. Jedoch von einer Alpenfestung zu sprechen wäre übertrieben.

Bombardierung Attnang-Puchheim
Bildquelle: Archiv Helmut Böhm

Viele der Zeitzeugen sind der Meinung, es war ein gewollter Terrorangriff auf die Menschen, eine Vernichtungsaktion aus Rache. Die gezielte Tötung von Zivilisten ist völkerrechtswidrig und auch in einem Krieg nicht zu rechtfertigen. In unserer Truppe wurde lange darüber diskutiert.

Nach einer Woche fuhr unsere Einheit mit einem Güterzug durch den völlig verwüsteten Bahnhof. Die Bautrupps der Bahnerhaltung hatten bereits wieder ein durchgehend befahrbares Bahngleis hergestellt. Was wir zu sehen bekamen war schrecklich. So etwas kann man nicht vergessen. Der Bahnhof und der Ort selbst waren eine einzige Trümmerwüste. Links und rechts vom Bahngleis lagen nur Teile von Waggons und Lokomotiven, geknickte Fahrleitungsmasten und aufgebogene Schienen. Kein Haus war noch ganz. Ein Bombentrichter neben dem anderen. Ein Bild des Grauens. Wir alle waren tief erschüttert. Das konnte niemand überleben, davon waren wir alle überzeugt. Während des Angriffs befanden sich im Bahnhof zwei Lazarettzüge und einige Personen- und Güterzüge, überfüllt mit Flüchtlingen aus dem Osten. Es gab keinen Voralarm. Als Alarm gegeben wurde explodierten bereits die ersten Bomben, mitten hinein in die flüchtende Menschen. Was für ein Drama! Der Angriff hinterließ mehr als 708 Tote von denen nur 208 identifiziert werden konnten. Fünfhundert Unbekannte waren bis zur Unkenntlichkeit zerrissen.
Die Opferbilanz war sicher noch viel höher, denn Fremde, Fremdarbeiter (Zwangsarbeiter), Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge wurden damals nicht in die amtliche Opferbilanz aufgenommen. Wir alle hofften im Stillen auf ein baldiges Ende des Krieges.
Unsere Einheit ging nach Stainach/Irdning zur noch nicht vorhandenen Alpenfestung. Wir waren der letzte Turnus in St.Georgen im Attergau. Nach uns wurde das Lager zur Unterbringung von Flüchtlingen eingerichtet. Erst zu viel späterer Zeit habe ich die genaue Opferbilanz erfahren. Bezogen aus der hervorragend recherchierten und aufgearbeiteten Geschichte Attnang-Puchheims durch Herrn OSR Helmut Böhm, die er in seinen Büchern aufs genaueste ausführt.

OSR Helmut Böhm hat diesen furchtbaren Luftangriff selbst als, so wie ich, 16-Jähriger in einem Keller hautnah miterlebt und überlebt. In unermüdlicher Arbeit recherchierte und dokumentierte er und schuf damit ein umfassendes Bild jener Tage.


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Ein Zeitzeugenbericht des Herrn Erich Pühringer aus Linz

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