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Kriegsgefangenenlager Aigen Schlägl

Grieskirchen vor 50 Jahren
Zeitzeugen berichten

Die Broschüre
Vorwort von Bgm. Helmut Nimmervoll
Dr. Ernst Aumer:
Erinnerungen an 1945

Dr. Gunther Peyrer-Heimstätt:
50 Jahre Kriegsende in Grieskirchen

Aus dem Tagebuch meines Vaters
Ing. Sieghart Moser:
Drei enscheidende Weichenstellungen für Stadt, Bezirk und Land im Jahre 1945.

Josef Eder:
Das Schuljahr 1944 aus der Sicht eines Hauptschülers

Lw.-Dir. Dipl.-Ing. Georg Wildfellner: Erlebnisse und Eindrücke eines Jugendlichen
1938–1940 (1)

1941–1944 (2)
1945 (3)
Johann Schröttenhamer: "Amtliche" Berichte und Erinnerungen
I) Kriegsende und Nachkriegszeit 1945 im Stadtamt Grieskirchen

II) Bewirtschaftung während des Krieges und in den Nachkriegsjahren
III) Flüchtlingselend nach Kriegsende
IV) Beginnende Normalisierung in der Nachkriegszeit
Balthasar Fessl:
Die Flucht und Ankunft in Grieskirchen


Kunst u. Zeitgeschichte:
Herbert Friedl - Maler,Grafiker; Objekt- und Raumkünstler

Timeline zur Oberösterreichischen Zeitgeschichte 1938

Zeitzeugenberichte

Publikationen
zur Zeitgeschichte


Heimatvertriebene


www.regionalkultur.at
Geschichteclub Stahl



Drei enscheidende Weichenstellungen für Stadt, Bezirk und Land im Jahre 1945.50 Jahre Kriegsende in Grieskirchen50 Jahre Kriegsende in Grieskirchen
Aus dem Tagebuch meines Vaters
Dr. Günther Peyrer-Heimstätt


29.3.1945
In Gegenwart des Kreisleiters spricht der Landesbauernführer zur Ernährungslage. Die Lebensmittelkartenmengen können nicht mehr garantiert werden. Einheitsmehl zu 95 % ausgemahlen. Ab Sommer 45 gibt es keinen Zucker mehr, es müssen Zuckerrüben ausgegeben werden. Fleischkürzung auf 200 Gramm pro Person und Woche, Milchkürzung für Kinder unvermeidlich!

31.3.1945
Vormittags: Kreisstabsbesprechung, zu der ich eingeladen werden sollte, aber nicht eingeladen worden bin. Kreisleiter gab bekannt, dass der Krieg verloren sei, es gibt keine Reserven an Mannschaft und Waffen mehr.– Um 12.30 Uhr wirft ein feindliches Flugzeug gleichzeitig vier Bomben auf die Eisenbahnbrücke über die Trattnach ab. Ich bin sofort an der Stelle. Es waren anscheinend 500-kg-Bomben. Plobergerstadl zur Hälfte eingestürzt. Brücke schwer beschädigt, doch südl. Gleise scheinbar leicht wieder herstellbar. Der westl. Brückenpfeiler zur Hälfte geborsten, nördl. Gleise ein Stück abgesunken. In der Stadt viele Fensterschäden, besonders südl. Front des Roßmarktes. Schwere Steine wurden bis zum Stadtplatz geschleudert.

8.4.1945
Alarm! Bomben auf Bahnhof Neumarkt (mehrere Tote) und Strecke bei Trattbach und Ragering, daher Einsatz Volkssturm. Es kommen fortwährend einander widersprechende Befehle der Kreisleitung, der letzte um 23 Uhr, wonach bis 24 Uhr weitere 100 Mann zum Aufräumeinsatz sollen, was aber undurchführbar.

14.4.1945
Besprechung beim Kreisleiter. Anwesende: Kreisleiter, Landesrat (entspricht dem heutigen Bezirkshauptmann), Wilhelmi, Hptm. Moser, Krenn (war Stabsführer des Volkssturms), Ebetshuber, Obst. Kühnlenz, ein Obstlt., Hptm. Aisner, Obstlt. Hirsch, Pöschko und ich. Private Unterbringung von Wehrmachtsangehörigen ist unstatthaft. Standortsälteste für alle Orte werden bestimmt, Grieskirchen: Obstlt. Hirsch, Obst. Kühnlenz für den Kreis, er stellt Lt. Götz zur Kreisleitung ab. Alle Einheiten sind ihm zu melden. (Damit sollte Grieskirchen in Verteidigungsbereitschaft versetzt werden.)

21.4.1945
Besichtigung der für Gemüsegärten bestimmten Sportplätze, die Jahnwiese ist bereits von Banatern in Benützung genommen, ebenso der kleine Sportplatz bei Pöttinger zum Teil (die schlechte Versorgungslage zwang auch zu solchen Maßnahmen).

25.4.1945
Alarm! Schwerer Luftangriff'auf Linz, Angriff auf Eisenbahnzüge, Bahnhof Grieskirchen, Obertrattnach und Tolleterau. Lager Stögmüller in Obertrattnach brennt, Feuerwehr rückt aus, ein SS-Zug in Trattbach schwer beschossen, mehrere Tote. Bei Schachermayrgut in Schlüßlberg Autos in Brand geschossen.

26.4.1945
Spreche mit Hoscher über die Lage. Wir wollen für Ruhe und Ordnung sorgen. Spreche mit Kreisleiter und schlage ihm vor, einen Aufruf an die Bevölkerung zu erlassen, um im Falle einer Feindbesetzung zu beruhigen, er ist einverstanden.

27.4.1945
Bei Kreisleiter mit Itzinger und Landrat: Marschbtl. hat keine Waffen! 17 Uhr: Obstlt. Hirsch ist in der Kreisleitung und fordert, daß Grieskirchen unbedingt in Verteidigungszustand versetzt wird, da der Führer erklärt habe, es gäbe keine offenen Städte mehr. Ich berufe mich auf den schriftlichen Befehl des Kreisleiters bzw. Stabsführers. Nichtsdestoweniger gibt Obstlt. Hirsch den Befehl zur militärischen Verteidigung der Stadt an deren Westrand. – 19 Uhr: Dr. Zeileis, Gallspach, ruft mich an, ich möge nach Gallspach zu einer Besprechung kommen. Ich fahre sofort mit Baumeister Reinhart nach Gallspach, Bayr. Hof. Anwesende: Dr. Zeileis, Bgm. Auinger, Ortsgruppenleiter Mayrhofer, ein Schwager des Dr. Zeileis und ich. Dr. Zeileis war heute bei einer Besprechung der Lazarettchefärzte von Oberdonau in Wilhering, wo der Generalarzt des Wehrkreises XVII unter anderem bekanntgab, daß Gallspach und Schallerbach, Gmunden und Ischl als Lazarettorte der Genfer Konvention unterstehen, nicht verteidigt werden dürfen und mit Tafeln gekennzeichnet werden müssen. (Diese Mitteilung hat meinem Vater ermöglicht, sich auf die Genfer Konvention zu berufen, da Grieskirchen in der Fünf-km-Freizone gelegen ist und daher ebenfalls nicht verteidigt werden darf.)

28.4.1945
8.30 Uhr: Besprechung bei Kreisleiter: Ich, Hascher, BM Auinger, Gallspach, Mayrhofer, Gallspach, Krenn, Obst. Kühnlenz, Obstlt. Schmidt, Dr. Zeileis, Hptm. Wirth, Obstlt. Hirsch. Ich erkläre endlich, wissen zu wollen, ob die Genfer Konvention nun maßgebend ist oder nicht, da der Gauleiter den Rundspruch erließ, wonach Gallspach Lazarettort ist. Damit fällt Grieskirchen in die Fünf-km-Schutzzone und müssen alle Folgerungen daraus gezogen werden. Ich trage eine große Verantwortung gegenüber der Bevölkerung und hafte mit meinem Kopf. Wenn ich mich nicht an die Genfer Konvention halte, hat der Feind das Recht, Grieskirchen in Schutt und Asche zu legen und ebenso Gallspach und die übrigen Lazarettorte. Kreisleiter teilt meine Ansicht und meint, man könne Verteidigungsanlagen auch außerhalb der Fünf-km-Zone legen, z.B. nach Unterstetten und Steindlberg. Obstlt. Hirsch beauftragt Hptm. Wirth, nach Linz zur Division zu fahren, um sich Weisungen zu holen. Schließlich entschließt sich Kreisleiter, selbst zum Gauleiter zu fahren, und er nimmt mich mit. In Linz begibt sich Hptm. Wirth zur Division und wir zur Gauleitung. Wir sprechen den GL in seiner Wohnung in Gegenwart des Landesbauführers und des Gaupropagandaleiters Irkovsky und einer Frau. Gauleiter ist damit einverstanden, daß Grieskirchen nur außerhalb der Fünf-km-Zone verteidigt wird. Als der Kreisleiter den Namen Dr. Zeileis ausspricht, ist der GL sehr aufgebracht und sagt: "Dem wird noch das Handwerk gelegt werden." Außerdem werde der Generalarzt des Wehrkreises XVII abgesetzt u. dgl. mehr. Wenn nötig, werde auch Grieskirchen verteidigt, und zwar mit allen Konsequenzen. Und wer sich diesem Befehl widersetze, werde erschossen oder an die nächste Laterne geknüpft. Man sieht daraus, wie widersprüchlich die Meinungen der maßgeblichen Persönlichkeiten waren, sodass mein Vater in seinem Tagebuch schreibt: "Wir haben wieder keine klare Auskunft erhalten."

30.4.1945
18 Uhr: Kreisleiter spricht vom Amtsgericht aus zur Bevölkerung und beschimpft sie, worüber die Menschen empört sind. Er erklärt auch, daß Grieskirchen doch verteidigt wird.
der erste amerikanische Panzer in Grieskirchen

Bild 1:
Erster amerikanischer Panzer in Grieskirchen am 3. 5. 1945



2.5.1945
Amerikaner bei Engelhartszell über die Donau gesetzt und bis Neufelden vorgedrungen. Besprechung von acht Uhr bis 11.30 Uhr bei Kreisleiter, Landrat, Obstlt. Hirsch, Hptm. Wirth, ein Oberst, ein Feldmeister des Reichsarbeitsdienstes, Kayer, Dr. Leitner, Krenn, Aumer, Lohner, Reinhard und ein Feldwebel der Wehrmacht. Ich verlange nun eindeutige Stellungnahme zur Verteidigung von Grieskirchen. Ich erkläre, daß der Führer während des ganzen Krieges die strenge Einhaltung der Genfer Konvention verlangt hat; es hat daher niemand das Recht, in der letzten Minute des Krieges das Gegenteil anzuordnen. Ich verlange die volle Einhaltung der Konvention mit allen sich daraus ergebenden Folgerungen. Alle stimmen mir zu (das hieß allerdings noch lange nicht, daß nicht von höherer Stelle gegenteilige Befehle kommen konnten).
Französische Kriegsgefangene, untergebracht in der ehem. ÖTB-Turnhalle

Bild 2:
Französische Kriegsgefangene, untergebracht in der ehemaligen ÖTB-Turnhalle.



3.5.1945
Die Stadt ist in Aufregung, die Amerikaner haben Braunau und Schärding und Oberes Mühlviertel besetzt. Ich greife, so gut es geht, überall beruhigend ein. Abends kommt die Nachricht, daß Peuerbach und Waizenkirchen bereits besetzt sind. Oberst Pühringer meldet sich und übernimmt von Oberst Kühnlenz das Kommando als Standortältester.

4.5.1945
Es kreisen die tollsten Gerüchte, der Einmarsch der Amerikaner wird stündlich erwartet. Ich habe gestern die HJ durch die Gendarmerie entwaffnen und alle Bomben entfernen lassen, die zur Sprengung der Brücken vorbereitet waren. Große Schwierigkeiten macht es, das Militär von der Stadt fernzuhalten und es zu hindern, in Grieskirchen zu parken. Es gelingt allerdings zum Großteil. Kreisleiter läßt mich rufen, doch habe ich mit ihm nichts mehr zu tun, ich bleibe in der Gemeinde. Ich erlasse Aufruf mit Lautsprecher um acht Uhr und um elf Uhr vormittag. Um 14.20 Uhr fahren die ersten amerikanischen Fahrzeuge und Panzer (Bild 1) durch Grieskirchen Roßmarkt, ohne daß auch nur ein Schuß fällt. Alles atmet auf, daß das längst Erwartete nunmehr eingetreten ist, ohne daß Grieskirchen dadurch gelitten hat. Ich lasse sogleich die Straßenbeleuchtung instandsetzen. Die französischen und belgischen Kriegsgefangenen (Bild 2 und 3) sind frei, sie stellen sich mir zur Verfügung und erklären, mich zu unterstützen. Sie werden bewaffnet und machen mit der Gendarmerie und unserer Assistenz Sicherheitsdienst. Einzelne amerikanische Detachments suchen auf eigene Faust Pistolen und Revolver. Die Österreichische Freiheitsbewegung tritt auf und übernimmt die Gewalt. Es werden in Sicherheitsgewahrsam zur Gendarmerie genommen: Kreisleiter Humer, Pöschko, Kreisschulrat Kayer, DAF-Obmann Ebetshuber, NSV-Obmann Wasmayr, Heher, Antoniol und Stoll.
Belgische Kriegsgefangene, untergebracht in der ehem. ÖTB-Turnhalle

Bild 3:
Belgische Kriegsgefangene, untergebracht in der ehemaligen ÖTB-Turnhalle.



5.5.1945
Den ganzen Tag fahren amerikanische Fahrzeuge durch die Stadt. Ich ersuche Herrn Dr. Hofer, der die Aktion der Österreichischen Freiheitsbewegung leitet, mich zu entheben und einen neuen Bürgermeister einzusetzen, doch hat sich noch kein Nachfolger für mich gefunden. Im Kaufhaus Mühlberger fangen Ausländer zu plündern an. Ich begebe mich sofort hin und räume den Laden, doch ist leider schon ein Großteil geplündert. Auch sonst kommen Plünderungen vor, und zwar auf dem Bahnhof und im RAD-Lager in Tollet.

6.5.1945
Befehl der amerikanischen Truppen, bis 18 Uhr alle Waffen, Munition, Feldstecher und Fotoapparate abzugeben sowie nationalsozialistische Schriften zu vernichten. Die Bevölkerung kommt dem Befehl reibungslos nach. Ich verlange von Dr. Hofer neuerlich, endlich abgelöst zu werden. Es wäre Herr Aumer als Bürgermeister in Aussicht genommen, doch will dieser nicht annehmen, verspricht aber, sich bis morgen früh zu
entscheiden.

7.5.1945
Erfahre, daß Herr Leopold Gföllner mein Nachfolger wird. Um 10.30 Uhr verfassen wir (Dr. Hofer, Herr Leopold Gföllner, Herr Dr. Moser und ich) das Übernahmeprotokoll, und um zwölf Uhr erfolgt die Übergabe im Kassenraum der Gemeinde vor der gesamten Gefolgschaft.


Dies ist die letzte Eintragung meines Vaters im Tagebuch.

Möglicherweise wird sich jetzt mancher fragen, wie die französischen und belgischen Kriegsgefangenen dazu kommen, einem Repräsentanten des Kriegsgegners Hilfe und Unterstützung anzubieten, wo doch Hass und Wut eine natürliche Reaktion gewesen wären. Meinem Vater wurden während des Krieges eben diese Gefangenen als Gemeindearbeiter zugeteilt und waren zum Teil in der Turnhalle des Turnvereins am Bahnhofweg untergebracht. Mein Vater, der sehr gut Französisch sprach, besuchte diese Gefangenen regelmäßig zu Weihnachten, brachte ihnen kleine Geschenke mit –viel gab es damals ja ohnehin nicht – und hielt eine kleine Ansprache, in der er auf das schlimme Los aller Kriegsgefangenen auf dieser Welt hinwies und ihnen Trost zusprach, dass der Tag kommen werde, da auch sie wieder in ihre Heimat und zu ihren Angehörigen kommen würden. Es war nur eine kleine menschliche Geste, die dieses Wunder vollbrachte. Wir sollten uns gerade heute wieder mehr solcher Gesten entsinnen!!


Die Broschüre
Vorwort von Bgm. Helmut Nimmervoll
Dr. Ernst Aumer: Erinnerungen an 1945
Dr. Gunther Peyrer-Heimstätt: 50 Jahre Kriegsende in Grieskirchen
Aus dem Tagebuch meines Vaters
Ing. Sieghart Moser: Drei enscheidende Weichenstellungen für Stadt, Bezirk und Land im Jahre 1945.
Josef Eder: Das Schuljahr 1944 aus der Sicht eines Hauptschülers
Lw.-Dir. Dipl.-Ing. Georg Wildfellner: Erlebnisse und Eindrücke eines Jugendlichen
1938–1940 (1)
/ 1941–1944 (2) / 1945 (3)
Johann Schröttenhamer: "Amtliche" Berichte und Erinnerungen
I) Kriegsende und Nachkriegszeit 1945 im Stadtamt Grieskirchen

II) Bewirtschaftung während des Krieges und in den Nachkriegsjahren
III) Flüchtlingselend nach Kriegsende
IV) Beginnende Normalisierung in der Nachkriegszeit
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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
ein wissenschaftliches Großprojekt des Landes

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