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Kriegsende und Besatzungszeit in Bad Hall

Protokoll eines historischen Tischgesprächs am 8. Jänner 1996
Zeitzeugengespräche im Heimathaus Bad Hall am 3. Februar 1996


Kunst u. Zeitgeschichte:
Herbert Friedl - Maler,Grafiker; Objekt- und Raumkünstler

Timeline zur Oberösterreichischen Zeitgeschichte 1938

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Historisches Tischgespräch am 8.1.1996 (1)Zeitzeugengespräche im Heimathaus Bad Hall am 3. Februar 1996 (2)Zeitzeugengespräch im Heimathaus
Bad Hall am 3. Februar 1996 (3)



Dokumente Sternberger:
"Ich war bis 1938 beim Kärntner Heimatschutz und bei der Hilfspolizei. Ich habe den Auftrag gehabt, die verbotenen Sachen, die die Nazis nach Österreich geschmuggelt haben, in Klagenfurt auszuheben und abzugeben. Ich habe nur meine Pflicht getan.
Nach 1938 musste ich mich täglich bei der Gestapo melden und um einen "Arschtritt" bitten. Der Gestapochef hieß Malli.
Dann kam ich am 6.7.1939 nach Dachau. Am 19.3.1940 bin ich bei einem großen Schneesturm geflüchtet nach Regensburg zu den Marienschwestern (Bestätigung ist dabei). Dann fuhr ich nach Hause zu meinen Eltern nach Klagenfurt, wo ich von dem Nazispitzel Novak verraten wurde. Dann wurde ich zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt ohne Anklageschrift. Mein Kamerad Johann Nasser wurde am 8.1.1941 durch das Fallbeil in Wien hingerichtet.
Das waren nur Gewalturteile und Rache – wir haben beide nur der Familie Friedländer geholfen. Herr Friedländer wurde geköpft. Frau Friedländer und die drei Kinder konnten nach Jugoslawien flüchten, mit meiner Hilfe und der meiner Eltern.
Uns wurde zur Last gelegt, dass wir das Eigentum der Familie Friedländer ins Ausland gebracht hätten.
Ich war immer als politischer Gefangener mit dem roten Winkel in den Lagern Emsland, Burgermur, Lingen, Aschendorf 2, Papenburg, Bergen-Belsen. In Auschwitz war ich Versuchskaninchen bei Dr. Mengele, wo ich am 15.3. entmannt wurde. Die SS-ler nannten das Maßnahmen für den Sieg.".
Skizze über die Bombenabwürfe am 23. und 24. Februar 1944
Foto: Stempel. Ostarbeiterin1944. Die Kinder der Zwangsarbeiterfrauen kamen in Bad Hall zur Welt, sofern sie nicht abgetrieben (bis zum 6. Monat) wurden. Im Meldeamt von Bad Hall liegen die Geburtsurkunden auf. Hier ein Beispiel mit dem Vermerk "Ostarbeiterin" (Bildquelle: Bilder liegen im Stadtarchiv Bad Hall und ausgestellt im Museum Bad Hall "Forum Hall")


Weitere Belege für die Echtheit der Aussagen von Sternberger:
Eintragungen in das Register der Strafakten der Gestapo (heute Landesarchiv Klagenfurt) vom 6.8.1940 (Kopie).
Zeitungsbericht in Steyrer Zeitung im Jahr 1995, wo über das schwere Schicksal Sternbergers anläßlich der 50-Jahr-Feier der Befreiung des KZ Auschwitz (27.1.) berichtet wurde. Sternberger hat Bundespräsident Klestil in Auschwitz einiges erzählt.
Sternberger hat höchste Auszeichnungen vom Land Österreich bekommen: goldenes Kreuz für Freiheit Österreichs.

Nach der Operation durch Dr. Mengele in Auschwitz (Entmannung) musste Sternberger, zusammen mit 40 anderen Männern, die vier km von Auschwitz nach Birkenau gehen. Das war eine enorme Anstrengung. Wenn einer "flitzen" ging, dann hatten die anderen im Lager darunter zu leiden. Im Lager galt die Devise "Rette dein Leben, wo es geht" – man sorgte sich eigentlich kaum um die anderen. Wenn einer umfiel, ging man weiter.
"Verzeihen kann ich alles, nur nicht vergessen", sagt Sternberger.
Heuer, 1996, bekommen ehemalige KZ-Häftlinge eine Entschädigung von 70.000,– S. Der Behördenweg dafür war aber sehr aufwendig. Er brauchte zwei Zeugen, die bezeugten, dass er im KZ war und damit Anrecht auf Entschädigung aus dem Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus hat.
Heute gibt es noch an die 30 000 Personen, die im KZ waren.

Sternberger wurde am 4. Dezember 1944 von Auschwitz zurücktransportiert nach Mauthausen, dabei waren sie sechs Wochen im Zug von Weimar nach Mauthausen unterwegs. 840 Personen stiegen in Weimar in den Zug ein, davon überlebten 196 den Transport nach Mauthausen. Die Toten wurden entlang der Bahnstrecke eingegraben von anderen KZ-Häftlingen. Sternberger erlebte das Kriegsende und die Befreiung in Mauthausen (5. Mai 1945). Damals waren Tausende an Typhus erkrankt.
Nach der Befreiung kam Sternberger nach Badgastein, wo er langsam wieder zu Kräften kam, nur mit Suppe ernährt. KZ-Häftlinge, die andere und festere Speisen zu sich nahmen, sind meist verstorben.

Nach dieser Erzählung, wo er sich emotional stark aufregte und die Stimme schon immer undeutlicher wurde, sackte er plötzlich am Stuhl zusammen. Die rasche Hilfe eines Arztes und die Einweisung ins Krankenhaus Sierning waren notwendig.

Wögerer:
Sternberger regte sich leicht auf, besonders wenn es um Entschädigungszahlungen ging.
Vorausgegangen ist zu Hause ein heftiger Streit über das Schneeräumen, das spielte natürlich auch mit.

Morawek:
Ihr Mann war Kreisleiter von Steyr, später von Kirchdorf. Er war als Kriegsgefangener NS-Bonze in Vöcklabruck. Dort wurden die hohen Nazi-Funktionäre in die Turnhalle gedrängt, zu diesen wurden KZ-ler hineingelassen, die die Nazis, auch Herrn Morawek, erschlagen haben. Amtlich bestätigt wurde Frau Morawek aber Selbstmord von Morawek. Die anderen Leute haben Frau Morawek erzählt, dass in der Turnhalle KZ-ler auf die Gefangenen eingeschlagen haben. Herr Morawek wurde in Vöcklabruck begraben, nicht in einem Massengrab, sondern zu zweit in einem Grab. Dafür bezahlte sie zehn Jahre lang Gebühren. Am Grab stand ein Holzkreuz, auf dem zwei Namen verzeichnet waren. Frau Morawek wurde von der Polizei vom Tod ihres Mannes verständigt, es wurde ihr auch ein Totenschein ausgehändigt.
Zum Zeitpunkt der Verhaftung war Herr Morawek beim Volkssturm, da er schon älter war – er war als Freiwilliger Soldat im 1. Weltkrieg gewesen –, und er hatte sich auch zum Volkssturm freiwillig gemeldet. Im 2. Weltkrieg war er nicht als Soldat, weil er in der Verwaltung, nämlich im Bezirk Kirchdorf als Landrat (=Bezirkshauptmann), beschäftigt war. Als 1944 der Volkssturm aufgerufen wurde, meldete er sich. Dort waren die Kinder ab 16 Jahren bis zu den Veteranen mit 60 Jahren. Dort ist er dann "einrückend" gemacht worden. Frau Morawek wurde durch ihn evakuiert, da sie zu diesem Zeitpunkt hochschwanger war, zum Grasserbauer nach Pießling. Dort war sie mit der Tochter Ursula, dem Wolfgang, das dritte Kind (Hans) war noch nicht geboren. Er besuchte sie, als der Zusammenbruch in Gang war (4./5. Mai 1945). Dabei deutete er an, dass die Gauleitung irgendwo im Gebirge versteckt war und welche Aussichtslosigkeit das sei. Er teilt ihr seine Pläne mit, dass er sich jetzt bei den Amerikanern melden würde. Er stellt es sich ehrenhaft vor. Tatsächlich wurde er dann geholt und daraufhin sah sie ihn nie wieder.

Schreiben der amerikanischen Militärregierung:
"Bzgl. Einstellung der Dienstbezüge mit Ende Juni 1945. Morawek ist am 1. Juni 1945 verstorben." Das Dokument wurde von einem Herrn namens Russegger unterschrieben, der dann auch selbst in Glasenbach inhaftiert wurde. Die Amerikaner haben alle, die den Titel Rat hatten, inhaftiert.

Frau Morawek brachte Fotos mit:
Gründung der Hauptschule Bad Hall 1938
Dokument über Abschied von Kreisleiter Morawek:
"Am 28. November (1938?) fand die parteiamtliche Verabschiedung des Kreisleiters Morawek statt. Gauleiter Eigruber ist auch erschienen, ebenso der gesamte Kreisstab ..."
Daraufhin wurde er Landrat von Kirchdorf (entspricht einem Bezirkshauptmann).
Morawek war zwar Idealist, doch mit dem Politischen konnte er nichts anfangen. Er war absolut kein Redner. Politische Leiter hatten nur "Phrasentätigkeit" und außerdem wurde schlecht bezahlt. Im Bezirk Kirchdorf war er positiv tätig. Er besorgte Lebensmittel, Schuhe aus Wien etc. Das machte ihm Freude.

Heiratsanzeige von Morawek 1943
Ausweis der Mutter: Kennkarte der Frau Lang
Sudetenflüchtlinge 1938 – Alle Bad Haller Frauen halfen bei der Betreuung der Flüchtlinge mit (Frau Morawek würde dieses Bild spenden).

Wölfl:
In Bad Hall waren auch andere Flüchtlinge. Ein Berliner Kind, Die Marlies, ist sogar hier in die Volksschule gegangen, weil sie fast ein Jahr hier war. Sechs Wochen musste Wölfl das Zimmer teilen mit holländischen Kindern.

Morawek:
Im Jahre 1940 war sie in Pfarrkirchen, dort wimmelte es vor Berliner Kindern.

Wölfl:
Sie war 16 Jahre, als Hitler 1938 einmarschierte. Vorher wusste sie nichts über Hitler, und drei Tage später marschierte sie auch schon mit (BdM). Damals besuchte sie die 6. Klasse in der Körnerschule Linz (Frauenoberschule). Im Handarbeitsunterricht nähten damals alle Mädchen außer zweien – Wölfl und noch ein anderes Mädchen – einen blauen Rock mit einer vorderen Quetschfalte. Wölfl hatte sich damals immer gewundert, dass den anderen der blaue Rock so gut gefällt. Einige Wochen später wusste sie, dass der blaue Rock Teil der BdM- Uniform war. Auch sie brauchte dann so einen Rock, denn wöchentlich wurde dreimal marschiert.

Morawek:
Sie hatte schon Ahnung von der aktuellen Politik. 1938 war sie in der Ursulinenschule, wo es sehr strenge (politisch "vaterländische") Vorschriften gab. Alle mussten beispielsweise ein Schülerabzeichen tragen mit der Aufschrift "Seid einig" (auch Frau Wölfl trug ein solches). Nach jeder Unterrichtsstunde musste gesagt werden: "Treu Österreich". War ein Mädchen 18 Jahre, so kam die Mater Direktorin und forderte das Mädchen auf, sich in der Vaterländischen Front einschreiben zu lassen (da konnte niemand ausweichen). Morawek wurde erst im März 1938 18 Jahre alt, sie kam dem aus.

Wölfl:
Auch sie erlebte den politischen Druck der so genannten "Systemzeit" in der Schulzeit. Am Sonntag mussten sie zur Schulmesse um halb acht in die Karmelitenkirche. Als Nachweis wurde von einem Professor am Eingang ein bestimmtes Markerl eingesammelt. Fehlte eine Schülerin, so entsprach das einer unentschuldigten Stunde. Das machte schon böses Blut unter den Mädchen.
Ab 1937 war sie Fahrschülerin und bekam von den politischen Verhältnissen nicht mehr so viel mit. Es gingen damals nur drei Züge nach Bad Hall. Wurde der Mittagszug versäumt, musste sie bis zum Abend warten.

Morawek:
Durch den politischen-vaterländischen Druck wurde sie in die Illegalität gedrängt.
Sie nahm schon vor 1938 an den Heimabenden des BdM teil, was sehr ansprechend war. Sie unternahmen Wanderungen, Fackelzüge, Lagerfeuer, was sehr schön war. Besonders schön war dies, weil es verboten war. Nach 1938 wurden sie zur "Staatsjugend" und damit war der Zwang da, dreimal wöchentlich gab es Appell. Das ging dann auf die Nerven.
Bezüglich Entnazifizierung äußert Morawek große Bedenken, denn es wurden oft willkürliche oder auf vagen Vermutungen basierende Angaben gemacht. Bei ihrer Mutter wurde der Vermerk "Medaillenträgerin" eingetragen, da sie die Volkspflegemedaille erhalten hatte für ihre Tätigkeit bei der Mutter-Kind-Beratung.
Bei Morawek selbst wurde eingetragen, dass sie Parteimitglied seit 1930 (!) wäre, obwohl sie erst 1920 geboren wurde.
Schießübungen der Amerikaner im Sulzbachtal, 1945

Foto rechts:
1945. Schießübungen von Amis im Sulzbachtal 1945 (Bildquelle: Bilder liegen im Stadtarchiv Bad Hall und ausgestellt im Museum Bad Hall "Forum Hall")



Sie vermutet, dass ihr das als Rache von bestimmten Gemeindebeamten angetan wurde. Es wurde ihr nicht einmal der Zuzug erlaubt (als Beweis dafür hat sie ein Dokument). Außerdem ist ihr, wie allen ehemaligen Parteigenossen, vom Gehalt ein bestimmter Betrag abgezogen worden (jedoch nicht für lange Zeit).

Nach der Besetzung durch die Amerikaner ist Moraweks Mutter mit der Tochter Ursula nach Bad Hall zurückgezogen. Doch ihr Haus (Lang-Villa) war voll mit Amerikanern. Als Ursula eine Lungenentzündung bekam, riet ihre Mutter Frau Morawek, dass sie aus Pielswang ebenfalls zurückkommen solle. Sie kehrte zu Weihnachten 1945 zurück. Von Rohr fuhren sie mit einem Leiterwagen mit den zwei kleinen Buben nach Bad Hall. Auf der Gemeinde Bad Hall suchte sie dann an um die Genehmigung des Zuzugs. Weil dieses Ansuchen lange nicht erledigt wurde, musste sie um die Lebensmittelkarten zu erhalten in den alten Wohnort zurückfahren und in Pichl bei Windischgarsten erhielt sie die Karten. Das war sehr umständlich, da nur ein Abendzug dorthin ging und erst am nächsten Tag wieder einer zurück. Erst 1946 erhielt sie die Genehmigung.

Wölfl:
Wölfl wurde 1946 delogiert, weil sie nicht mehr im Sonnenheim wohnen durften, da sie Parteigenossen waren. Der Nachfolger des Kurkommissärs Purtscher, Herr Tillich.


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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
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