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Kriegsende und Besatzungszeit in Bad Hall

Protokoll eines historischen Tischgesprächs am 8. Jänner 1996
Zeitzeugengespräche im Heimathaus Bad Hall am 3. Februar 1996


Kunst u. Zeitgeschichte:
Herbert Friedl - Maler,Grafiker; Objekt- und Raumkünstler

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Historisches Tischgespräch am 8.1.1996 (4)Historisches Tischgespräch am 8.1.1996 (2)Protokoll eines historischen Tischgespräches
im Heimathaus am 8. Jänner 1996 (3)



Schreglmann:
Einige Tage nach dem Einmarsch wurde das Kaffeehaus meiner Eltern requiriert. Herr Schreglmann weiß nicht mehr genau, welche Armee, war es die Rainbow Division oder die 64th Infantery Division.
Amerikanische Armeelastwagen am Hauptplatz Bad Hall



Foto rechts:
Amerikanische Armeelastwagen am Hauptplatz Bad Hall (Bildquelle: Bilder liegen im Stadtarchiv Bad Hall und ausgestellt im Museum Bad Hall "Forum Hall")

(Nach Slapnicka kam am 5. Mai 1945 die 71. Infanterie-Division (General Wyman) über Haid – Wels nach Steyr).

An die Rainbow Division erinnert er sich als die rüpelhaften Soldaten, die herumschossen und vieles zerstörten. Doch die Soldaten der zweiten Einheit waren sehr nett. Das Kaffeehaus war eine Schreibstube über ein Jahr lang. In der Besatzungsgruppe waren die unterschiedlichsten Typen – von sehr nett und zuvorkommend bis kaltschnäuzig – anzutreffen.
Herr Schreglmann erinnert sich an einen Indianer-Soldaten. An einem kalten, regnerischen Tag im Sommer klopfte es plötzlich an der Tür der Familie Schreglmann, die oberhalb des Kaffeehauses wohnte. Vor der Tür stand ein Soldat mit Pelerine, Stahlhelm und triefend vor Nässe, schweigend und grinsend mit seinen auffallend schönen Zähnen. Unter der Pelerine zog er einen Ast hervor, an dem Forellen – wie Obst aufgefädelt – hingen. Mit der zweiten Hand holte er ein Gefäß mit Schmalz hervor und reichte beides Herrn Schreglmann, der als Dolmetscher fungierte und den Spitznamen "Spike" (Nagel, weil er so dünn war) hatte. "Spike, that's for you." Große Freude war darüber, die Familie konnte drei Tage mit Forellen aus dem Sulzbach herrlich durchkommen.
Ein großer Teil war sehr nett. Einer von ihnen, mit Namen Ciby Cross (?), war Redakteur der "Stimme Amerikas", ansonsten erfuhr man kaum, woher sie stammten oder was sie waren. Diesen Redakteur hörte Herr Schreglmann über die deutschsprachige Radiosendung "Stimme Amerikas von Washington, D.C." um zehn Uhr abends. Dieser war deutschstämmig, unklar war, ob er Jude war. Mit diesem unterhielt sich Schreglmann in Bad Hall.
Ein anderer trug den Namen Ulrich, war aber Japaner. Solche Mischungen gab es unter den Soldaten.

Schmiedhauser:
Club Libertas bestand aus Flüchtlingen, die hauptsächlich aus Wien stammten. Dieser Club und dessen Mitglieder waren sehr schlimm, die waren eigentlich kriminell.

Hager:
Einer aus diesem Club war der Herr Ludwig, der als letzter KZler im Landesgericht Linz öffentlich gehängt wurde. Dieser Ludwig war Kapo im KZ Gusen und rühmte sich dessen auch durch besonders markige Aussprüche. Er hatte im Hotel Post bei den Amerikanern in der Küche gearbeitet. Seine Mitarbeiter bedrohte er oft: "Wenn du net gscheit tuast, druck i dir die Schlungizn ab." Ebenso auch beim Sportverein der Libertas. Dieser Ludwig war von einem Juden, der in Bad Hall zur Kur war, erkannt worden und daraufhin wurde er verhaftet.

Kubizek:
Der Sportverein Libertas war eigentlich die Nationalmannschaft, die SV Libertas. Dazu gehörte auch der Brunner, der Ebtögel. Diese veranstalteten auch Theater.
Kubizek arbeitete während der schulfreien Zeit 1945 (Sommer) im Labor Marienhof-Anbau. Dort waren auch viele KZler. Frau Viviora war Kubizeks Chefin, die auch eine Theatergruppe leitete. Ebenso gab es auch eine Damen-Handballmannschaft der Libertas.
Kaiser Franz Josef Badehaus

Foto rechts:
Kj. Badehaus 1930. In diesem "Kaiser Franz Josef-Badehaus" wurde 1943 – 1945 die Frauenklinik von Linz umverlegt, um den Bombenangriffen zu entgehen. Hier fanden auch die Zwangsabtreibungen bei den Zwangsarbeiterfrauen statt.

Schmiedhauser:
Der von den Amerikanern eingesetzte Bürgermeister Schaubmair (KPÖ) war äußerst korrekt. Durch ihre Tätigkeit auf der Gemeinde konnte sie ihn sehr gut beobachten und er war der korrekteste Mensch.

Schwarz:
Über Bürgermeister Schaubmair und seinen Lebensweg konnte Herr Schwarz viel erzählen. Schwarz war während des Krieges in den Steyr-Werken Abteilungsleiter. Eines Tages (vielleicht 1944) kam die Gestapo von München und erkundigte sich bei Schwarz nach dem Schaubmair. Schwarz war damals in der Personalabteilung, die Gestapo bezeichnete ihn als Kommunisten. Schwarz kannte ihn gut von den gemeinsamen Autobusfahrten Bad Hall–Steyr. Er wusste, dass er nichts Böses gemacht hatte. Die Gestapo wollte Schaubmair nach München ins Gefängnis mitnehmen. Da verteidigte Schwarz den Kommunisten und argumentierte, dass er ein Dreher, ein wichtiger Facharbeiter, war und dringendst benötigt wurde zur Anfertigung der Kugellager bei den Panzern. Die Gestapo-Leute ließen ihn deshalb da. Kurze Zeit später kam ein Brief von Gauleiter Eigruber, darin forderte er Schwarz auf, den Schaubmair sofort ins KZ auszuliefern. Schwarz fuhr persönlich nach Linz, um den guten Facharbeiter Schaubmair im Werk zu lassen, zur Anfertigung der Kugellager. Denn oft kamen einzelne Soldaten und holten sich spezielle Kugellager für Flieger etc. Nur aus diesem Grund ließ die Linzer Behörde Schaubmair in Steyr, wodurch er gerettet wurde.
Schwarz‘ Engagement für Schaubmair dankte dieser ihm später, als er Bürgermeister war. Nach dem Krieg wurde Schwarz als Nazi diskreditiert. Ein gewisser Kohlditz forderte eines Tages Schuhe und Kleidung von Schwarz und teilte dies gleich an Leute aus, die dabei waren. Schwarz ging zum Bürgermeister, der sein Lokal beim Gundhold hatte. Dort saß gerade auf der Tischkante des Bürgermeisters ein gewisser Grafinger, zu dem Schwarz sich über dessen Unart äußerte. Grafinger, ein Bad Haller, und Kohlditz sagten daraufhin zu Schaubmair: "Den Schwarz geben wir auch zum Aufräumen ins Lager nach Mauthausen." Schaubmair sah Schwarz nur an. Schwarz erinnerte Schaubmair daran, das er ihm damals in den Steyr-Werken das Leben gerettet hatte. Schaubmair nickte nur und sagte zu Grafinger und Kohlditz: "Nein. Schwarz bleibt hier."

Schreglmann:
Über Schaubmair hört man wirklich nur Gutes. Im Grunde ist es eigenartig, dass gerade die zwei Bürgermeister Eduard Pürstinger und Karl Schaubmair in der Öffentlichkeit sehr guten Ruf genießen. Sie waren ideologisch diametral entgegengesetzt.
Noch nie hörte man etwas Negatives über einen von ihnen.

Schwarz:
Nach dem Einmarsch der Amerikaner errichtete Schwarz im hinteren Teil des Hotels Post eine kleine Werkstätte, wo verschiedener Kleinkram wie Rechenmaschinen für Kinder oder für die Kartenspieler Mischer hergestellt wurden. Über Schwarz‘ Kontakte zu den Steyr-Werken bekamen sie einige Maschinen. In dieser Werkstätte arbeiteten zehn bis zwölf Personen, darunter auch viele Nazis, die damals nirgendwo arbeiten durften bzw. angestellt wurden. Darunter war auch der Hofrat Jungwirth von Steyr, der eine Pesendorfer-Tochter geheiratet hat, der aber kein Nazi war.
Den Verkauf organisierte Schwarz mit einem gewissen Sillhaber, der die Fahrten nach Wien unternahm. Eines Nachts erkannte Schwarz, warum Sillhaber eigentlich so reich geworden war. Im Lastwagen gab es einen doppelten Boden, im verdeckten unteren Teil wurde Fleisch, Schweine, Kälber, Wild etc., versteckt und im oberen, offiziellen Teil lagen die Waren von Schwarz u. a. Auf diese Weise unternahm Sillhaber viele Fahrten ins ausgehungerte Wien.

Schmiedhauser:
Schaubmair war integer, doch er war natürlich stark beeinflusst von den Libertas-Leuten, wodurch manche Verordnungen ungerecht erschienen. Im Grunde war aber Schaubmair primitiv, in Bezug auf seine Bildung. Er war grundehrlicher Arbeiter, wie Herr Hager meinte.
Zeininger:
Die Libertas Leute waren auch bestechlich, sie waren so genannte Widerstandskämpfer, die nun versuchten an die Macht zu kommen und reich zu werden.

Schwarz:
Anfang 1946 wurde Schaubmair nicht mehr gewählt. Er ging nach St. Pölten, dorthin wollte er Schwarz mitnehmen, um in einem USIA- Betrieb zu arbeiten.

Ehrenhuber:
In Aschach sprach man über Bad Hall als von einem "großen Nazi-Nest".
Darüber sind die Anwesenden zum Teil erstaunt, zum Teil bestätigen sie das.

Schwarz und Schmiedhauser:
Ehemalige Nazis wurden ins große Kriegsgefangenenlager nach Glasenbach transportiert. Die Anordnungen dafür trafen die Libertas-Leute, hauptsächlich Kohlditz. Auch im ehemaligen KZ Mauthausen mussten ehemalige Nazi Aufräumungsarbeiten und Bestattungen durchführen.

Thoma:
Thoma erzählt, dass die Operationsgruppe der Sanitäter in OÖ war und er habe die einzelnen Leute bei den Bauern der Umgebung untergebracht. Denn diese konnten nicht nach NÖ zurückkehren.

Knogler:
Über die Kontakte der Amerikaner zu Einheimischen gibt es einige lustige Episoden. Eines Tages kamen zwei Amerikaner mit einem Fräulein ins Haus des Regierungsrates Pesendorfer in der Kremsmünstererstraße. Dort verschwanden beide im Zimmer der Tochter, der andere stand vor der Tür Wache. Nach vollendeter Tat sah Pesendorfer, dass das Fräulein ein Kleid von seiner Tochter in der Hand hielt – der Amerikaner deutete an: "Eine Kleinigkeit für die Dame." Dann verschwanden alle.

Im Haus der Knogler bediente sich auch eines Tages ein Amerikaner. Doch der suchte nur nach Taschentüchern, nahm welche aus dem Schrank und verschwand wieder.

Zeininger:
Wo heute das Eisenbahnerheim ist, war das Tanzlokal der Amerikaner, das ehemalige Café Lauf. Dorthin gingen die Mädchen, doch sie durften nicht allein ins Lokal hinein, sie mussten auf einen Soldaten warten, mit dem sie hineingehen konnten.
Frau Zeininger erinnert sich, dass sie als Unterhaltung am Abend am Fenster saßen und "fernschauten", wer ins amerikanische Lokal hineinging. Die Mädchen spazierten vor dem Lokal auf und ab und warteten, bis sie ins Lokal mitgenommen wurden.
Im Haus von Zeininger (damals Haydvogl) wohnten die Schwestern des Landeskrankenhauses. Eine junge Schwester ging auch "zu den Ami tanzen". Eines Nachts hörte Zeiningers Mutter verschiedene Geräusche. Sie schaute nach und sah, dass ein Fuchspelz im Eingangsbereich lag. Sie nahm den Pelz herein, da sie vermutete, eine der Schwestern habe ihn verloren. Er gehörte der jungen Krankenschwester, die sich unerlaubterweise einen Amerikaner mit aufs Zimmer genommen hatte. Als diese bemerkte, dass sie den Pelz vergessen hatte, sagte sie zum Amerikaner, sie komme gleich wieder. Als die Schwester aber den Pelz nicht fand, dauerte es lang, bis sie wieder zum Ami zurückkam. Nach ihrer Rückkehr war der Ami so wütend, dass er das Mädchen krankenhausreif geschlagen hat. Am nächsten Tag ging das Hausmädchen Zeiningers in deren Zimmer, sah, dass der Amerikaner nicht mehr da war, und man brachte das Mädchen ins Krankenhaus mit Nasenbeinbruch und schweren Prellungen. Die Krankenschwester wurde daraufhin sofort entlassen.

Hager:
Am Huemerberg war eine Befehlsstelle der Amerikaner (Gasthaus). Das Hagerhaus war unterhalb. Über diese Straße kamen auch nach dem Einmarsch noch deutsche Soldaten. Die Mutter Hagers hat diese gewarnt und ihnen einen Schleichweg verraten, wie sie durch den Park zu den Bauern hinauskommen können. Zwei Jahre später kamen zu Hagers Mutter einige Wiener, die sie umarmten und freudig erzählten und sich bedankten, dass sie damals diese Soldaten vor der Gefangenschaft bewahrt hatte (es waren angeblich acht bis zehn Soldaten gerettet worden).

Zeininger:
Frau Zeininger erlebte den Einmarsch der Amerikaner in Frauenstein, wo sie bei Bauern untergebracht war. In der Nähe des Bauernhauses war ein Spinnstofflager. Deutsche Soldaten suchten nach Zivilkleidung und bedienten sich dort. In komischer und eigentümlicher Aufmachung sind diese dann zivil aufgetreten. In Frauenstein selbst waren überhaupt keine Amerikaner, sie kamen nicht über die Steyr. Sie hatten offensichtlich kein Interesse an den wenigen Bauernhäusern in Frauenstein.

Ehrenhuber:
Herr Ehrenhuber berichtet über den Versuch von einigen deutschen Offizieren, Unterschlupf in Aschach zu finden. Im Bauernhaus Ehrenhubers in Aschach wurde diesen tatsächlich erlaubt, für kurze Zeit sich zu verstecken. Die Offiziere wollten dann über die Enns in die russische Zone. Der Bürgermeister von Aschach ließ öffentlich verkünden, dass die Amerikaner keinen Pardon kennen: Wenn in Häusern höhere Offiziere der Deutschen Wehrmacht entdeckt werden, so findet standgerichtliche Verurteilung auch für die Hausbesitzer statt. Trotzdem gewährten sie Unterschlupf.
Die Offiziere verbarrikadierten sich im Getreidekasten. Einer blieb jedoch heraussen und wollte, wenn amerikanische Kontrolle käme, sich als Bauer ausgeben. Tatsächlich kamen die Amerikaner am Abend. Der norddeutsche Offizier, angetan mit einem Vierfleck, gab sich vor den Amerikanern als Bauer aus und sprach im oberösterreichischen Dialekt: "Geh, Bua, hol an Most." Die Amerikaner merkten nichts, doch die Ehrenhubers zitterten sehr. Nachdem die Amerikaner betrunken waren, zogen sie ab. Die Hausdurchsuchung ist ausgeblieben.


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Zeitzeugengespräche im Heimathaus Bad Hall am 3. Februar 1996


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