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Zeitzeuge Franz Wurm

Erinnerungen aus dem Leben
eines ehemaligen Kollerschlägers

Der Ort und die Familie
Die Kriegszeit und das Ende des Krieges
Persönliche Erlebnisse aus dieser Zeit:
Der Onkel Edi und der Firmling Franzi
Auszug und Heimkehr – Ende des tausendjährigen Reiches
Besatzung:
Erst die Amerikaner
Dann die Russen
Einkehr der Normalität


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Einkehr der NormalitätBesatzung: Erst die Amerikaner, dann die RussenPersönliche Erlebnisse aus dieser Zeit:
Besatzung
Erst die Amerikaner, dann die Russen (2)


Wie sich später herausstellte, hatte nicht nur der Hund Troli eine traurige Zukunft, auch der gesamten Bevölkerung standen schwere Zeiten bevor. Die Amerikaner sah man immer seltener und plötzlich im August ist ein Jeep mit russischen Offizieren aufgetaucht. Niemand im Ort wusste damals, dass für das Mühlviertel von den Alliierten als Besatzungsmacht die Russen vorgesehen waren.

Kurz darauf ist die neue Besatzungsmacht auf der Frankwiese gegenüber vom Thaier aufmarschiert. An den Ortseingängen wurden Posten aufgestellt, das Verlassen des Ortes auf Nebenwegen war nicht gestattet. Diese Anordnungen haben sich als undurchführbar erwiesen und wurden zurückgenommen. Besetzt wurde das Zollamt, damals das Haus von der Pfarrer-Anna, die Schule für die Mannschaften, die Offiziere haben im Stöckl vom Frank Quartier bezogen.

Dem Franz Baumüller, Kaufhaus Frank, der als Vermittler fungierte, haben die Russen arg mitgespielt, durch deren Misshandlungen ist er, wie gesagt wurde, auch zu Tode gekommen. Während der zehnjährigen Besetzung wurden einige Häuser verbraucht. Nach unserem Haus das Haus von Heinrich Winkler, dann das vom Sekretär Franz Wurm, das Gasthaus Stöbich und zuletzt das Haus von Lockinger, jetzt Kasberger Josef. Der Pferdestall war laufend beim Gasthof Leitner. Die Pferde wurden häufig freigelassen und haben dadurch in
den Krautäckern großen Schaden angerichtet. Die Russen waren im Gegensatz zu den Amerikanern nicht auf Selbstversorgung ausgerichtet. Sie haben sich, abgesehen vom Brot, aus dem Lande ernährt. Das Brot, das sie damals angeliefert bekamen, sah aus und schmeckte, wie ich es 1993 in Sibirien am Pazifik bei Magadan erlebt habe, heute genau so wie damals. Der sonstige Bedarf an Verpflegung, zumindest zu Beginn, wurde wie auch die Beistellung von Fuhrwerken beim Bürgermeister eingefordert. Der musste bestimmen, wer hat ein Schwein, wer hat ein Rind oder wer hat Kartoffel oder sonstige Feldfrüchte abzuliefern. Auch die Abstellung von Gespannen wurde vom Bürgermeister eingeteilt.

Mein Bruder Johann war einmal mehrere Tage nach Feldkirchen für die Russen unterwegs, ich persönlich hatte einige Fahrten nach Rohrbach und Julbach. Das Unangenehme bei diesen Fahrten war, dass man nie wußte, wie lange sie dauern, auch musste man selbst für sich und auch für das Futter der Pferde sorgen. Die Grenze wurde gleich stark bewacht, alle Nebenbrücken über den Grenzbach wurden abgerissen. Jeder Versuch eines Grenzübertrittes war gefährlich. Personen, die aufgegriffen wurden, wurden als Spione angesehen und liefen Gefahr bei mehreren Kommandanturen bis St. Pölten verhört zu werden oder ganz in Sibirien zu verschwinden. Wenn sich die Verhältnisse im Laufe der Zeit auch verbesserten, so blieb die Lage am sogenannten "Hölzernen Vorhang" voller Unsicherheit und Spannung. Anfang September ergab sich eine Gelegenheit mit dem Tatra von Ecksdorfer, betrieben vom Kasbergerseppen, Richtung St. Georgen zu fahren. Geplant war eine Fahrt nach Schwanenstadt, die über Grieskirchen führen sollte. Bepackt mit meinen Habseligkeiten, begleitet vom Hund Troli war die Abfahrt um vier Uhr in der Frühe. Für die Fahrt nach Linz waren vier bis fünf Stunden erforderlich. In Linz war eine längere Reparatur am Fahrzeug notwendig, sodass die Weiterfahrt nach Wels sich bis zum Nachmittag verzögerte.
Am Kaiser-Josef-Platz in Wels hielt der Kasberger an und forderte mich zum Absteigen auf. Er sagte, eine Fahrt nach Grieskirchen geht nicht mehr, dazu fehlt die Zeit. Nun stand ich mit meinem Packerl und dem Hunderl am Gehsteig und wusste nicht ein und aus. Ich schulterte meine in einem Papiersack verpackten Habseligkeiten, nahm das Hunderl an die Leine und machte mich auf den Weg. Über Haiding ging’s nach Wallern, wo ich bei einem geschlossenen Bahnschranken Glück zur Mitfahrt fand. Beim Onkel Edl, beim Schotterhäufl, wie der Hausname hieß, konnte ich die Nacht verbringen.

Nächsten Tag waren nur mehr an die zehn Kilometer bis St. Georgen, wo ich am Nachmittag ankam. Ich wurde schon erwartet. Für den Hund war aber kein Platz mehr, denn die Hofwache hat ein von der Gestapo übernommener Wolfshund, namens Schali, übernommen. Den Troli verkaufte ich nach Absprache mit der Pfarrersköchin für ein Kilo Butter der Wirtin in Bachschallern. Dort wurde ihm seine Leidenschaft zur Wilderei zum Verhängnis. Durch diese Neigung ist er dem Schuss eines Jägers zum Opfer gefallen. Zu Schulschluss im Sommer 1946 kam Tante Maria nach St. Georgen um mich abzuholen.

In Kollerschlag war dringender Bedarf an Jungschweinen. Im Pfarrhof war ein Wurf Ferkel vorhanden, wovon zwei davon mitgenommen werden sollten. Tante Maria hatte eine Fahrgelegenheit vorbereitet. Mit dem Milchfuhrwerk vom Zeininger ging es nach Grieskirchen und mit einem Brauereiauto Richtung Linz. Vor Eferding wurden wir von einer Gendarmeriekontrolle angehalten. Da wir keine Transportpapiere vorweisen konnten, wurden die Schweinchen beschlagnahmt, Tante Maria und ich zum Verhör ins Bezirksgericht Eferding gebracht. Nach dem Verhör wurden wir freigelassen, die Ferkel blieben aber in Gewahrsam des Gerichtes. Am Hauptplatz fanden wir bei einer Frau Aufnahme. Von dort aus konnten wir uns auch um die Ferkel kümmern. Nächsten Tag fuhr Tante Maria zu Landeshauptmann Dr. Gleißner und schilderte ihm die Sachlage. Die Gegend um Kollerschlag wurde immer vom Fellhofer in Stratberg über den Welser Ferkelmarkt mit Nachschub versorgt. Durch die Zonengrenze war diese Möglichkeit nicht mehr gegeben. Tante Maria erklärte dem Landeshauptmann, dass für die weitere Ernährung einer elfköpfigen Familie die Jungschweine unbedingt gebraucht werden. Der Landeshauptmann zeigte Verständnis und gab Anweisung die Ferkel freizugeben. Am nächsten Tag wurde die wertvolle Fracht wieder in einen Kartoffelsack verpackt, mit der Lokalbahn ging es dann nach Linz.

Bei der Weißenberger Frieda, die im Hinterhaus beim Gasthof "Weißes Kreuz" am Pfarrplatz wohnte, fanden wir Unterschlupf. Die Milch für die Ferkel musste ich täglich zweimal bei Verwandten vom Kaidernschneider in Urfahr holen. Jetzt wurde von der Tante nachgeforscht, wann eine Fahrgelegenheit nach Kollerschlag war, sowie nach einem Straßenbahnfahrer Ausschau gehalten, der unsere Ferkel im Motorraum über die Zonengrenze bringt.
Beides wurde geklärt und das nicht ungefährliche Unternehmen konnte durchgeführt werden. Am Morgen besagten Tages wurde dem Schweinefutter eine Menge Schnaps zur Ruhigstellung beigegeben. Mit einem Leiterwagerl habe ich die Ferkel zur Umkehrschleife Versorgungshaus an der Kreuzung Wiener Reichsstraße / Salzburgerstraße gebracht. Am Hessenplatz waren die Schweinchen noch nicht eingeschlafen, sie kollerten mit dem Sack vom Leiterwagerl und es bedurfte der Mithilfe von Passanten, sie wieder einzufangen. Beim Versorgungshaus wurden die jetzt schlafenden Ferkel übergeben, die Tante und ich fuhren nach Urfahr zur Remise. Der Transport über die Zonengrenze hat funktioniert, mit dem Kasberger erreichten wir Kollerschlag. Nachdem die Ferkel ausgeschlafen hatten,
wuchsen sie im Stall kräftig heran, für das kommende Jahr war der Fleischbedarf für die Familie gesichert.


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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
ein wissenschaftliches Großprojekt des Landes

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