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Zeitzeuge Franz Wurm

Erinnerungen aus dem Leben
eines ehemaligen Kollerschlägers

Der Ort und die Familie
Die Kriegszeit und das Ende des Krieges
Persönliche Erlebnisse aus dieser Zeit:
Der Onkel Edi und der Firmling Franzi
Auszug und Heimkehr – Ende des tausendjährigen Reiches
Besatzung:
Erst die Amerikaner
Dann die Russen
Einkehr der Normalität


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Dann die RussenAuszug und Heimkehr ­ Ende des tausendjährigen ReichesPersönliche Erlebnisse aus dieser Zeit:
Besatzung
Erst die Amerikaner, dann die Russen (1)


Abgesehen von der Ausgangssperre von 22 Uhr abends bis sechs Uhr am Morgen konnten die Leute sich frei bewegen. Die Felder rund um den Ort waren durch die Fahrzeuge arg verwüstet. An eine Ernte entlang der Straße nach Hanging, entlang der Mistelbergerstraße bis in die Gegend des heutigen Sportplatzes und zum Brezerbühel war für dieses Jahr nicht zu denken. Beim Durchmarsch durch den Ort ist ein Panzer in den Türstock beim Kaufhaus Wöß, damals auch noch vielfach Rampetsreiter genannt, gerutscht und hat die Haustüre, die zwei Auslagen und den Geschäftseingang verschoben. Die Kurve zwischen Stöbiwirt und Kumpfmüller war ihnen zu eng. Ein Caterpillar hat gleich die ganze Hausecke vom Wirtshaus weggeschoben. Die alte Frau Stöbich, die bettlägerig im ersten Stock lag, war mit ihrem Bett beinahe im Freien. Die Panzersperre beim Eibibäcker haben sie einfach in die Mühlgasse geschoben. In Peilstein haben sie die enge Durchfahrt zwischen dem Kaufhaus Wagner und dem Wirtshaus Traxinger durch den Abbruch des halben Traxingerhauses erweitert, lange Zeit verlief eine Straßenseite unter dem Hausdach. Gefährlich lebten die Hühner und die Fische. Die Hühner wurden mit Bajonettwürfen gejagt, den Fischen in den Bächen wurde mit Handgranaten der Garaus gemacht. Von unseren Hühnern konnten wir noch vier oder fünf retten, diese haben wir am Dachboden im Häusl versteckt. Ich habe mir aus dem Bestand des Pferdelazaretts ein Pferdchen organisiert, wofür ich dann im Auftrag vom Brezerseppen, dem damaligen Sekretär, Botengänge für die Gemeinde verrichten musste. Die holde Weiblichkeit wurde mit Schokolade, Zigaretten und Nylonstrümpfen beworben und manche dieser Raritäten haben den Besitzer gewechselt. In diese Zeit fiel auch der Besuch vom Leitnbauern aus Waldzell oberhalb von Wesenufer jenseits der Donau. Dieser Bauer war ein alter Bekannter meines Vaters. Schon mancher Pferde- oder Kuhhandel wurde zwischen ihnen abgeschlossen. Auch diesmal wurde ein Handel mit Handschlag vereinbart. Der Leitnbauer kaufte zwei Pferde zum Preis von 1000 Reichsmark und einen Rucksack voll Tabak. In der Gegend vom Leitnbauern kam die Bevölkerung bei der Auflassung der Versorgungslager der Wehrmacht zu allerlei wertvollem Gutem des täglichen Bedarfes, so auch zu Tabak. Beim Handel wurde auch vereinbart, dass die Pferde zugestellt werden. Der Jagamannheli und ich waren dazu ausersehen.

An einem Samstag brachen wir zu Mittag auf und ritten über Oberkappel, Altenhof, mit der Fähre die Donau übersetzend nach Wesenufer und aufwärts über die Donauleitn zum Leitnbauern. Nach der Übergabe der Pferde wurde gleich eine Probefahrt organisiert.
Schon beim Angeschirren kam es zu Problemen. Nachdem eingespannt war, zog das eine Pferd hin, das andere her. Mit Hilfe der Peitsche kam das Gefährt in Bewegung und in wildem Galopp ging es mit dem Wagen und dem darauf verzweifelt sitzenden Leitnbauern durch die Gegend. Nach Beendigung der Probefahrt gab uns der Bauer zu verstehen, dass er die Pferde, obwohl wahrscheinlich nur als Reitpferde ausgebildet, zum vereinbarten Kaufpreis übernimmt. Wir beiden Übersteller bekamen eine Jause und in einer oberen Stube ein Nachtquartier zugewiesen. Am nächsten Morgen nach Einnahme von Milch und Brot wurden uns 1000 Reichsmark und ein Wehrmachtsrucksack voll Tabak überreicht. Wir verließen Waldkirchen und brachen zu einem Besuch zum Onkel Pfarrer in St. Georgen auf. Über Waizenkirchen und Grieskirchen alle möglichen Abkürzungen ausnützend schafften wir die etwa 40 Kilometer lange Strecke bis zum Nachmittag. Beim Onkel angekommen gab es eine kräftige Stärkung und eine Einladung von Hochwürden, ihn zum Segen in die Kirche zu begleiten.
Wir wurden über alle vergangenen Ereignisse ausgefragt. Am Pfarrhof hat sich vieles verändert. Die untergebrachten gefangenen Serben waren weg, die Flüchtlingsfamilie aus Breslau, eine Frau mit zwei Töchtern war nach Deutschland gegangen, die ukrainischen Fremdarbeiter, der Knecht Gregor und die Magd Mila nach Kanada ausgewandert. Nur die Flüchtlingsfamilie aus dem Banat war noch anwesend und half bei der Bewirtschaftung der Landwirtschaft. Am Montag in der Früh packten wir unseren Rucksack mit Tabak, versteckten sorgfältig das Geld und mit Brot und Speck als Wegzehrung versorgt traten wir den Rückweg an. Wir waren schon einige Kilometer vom Haus entfernt, als uns der Pfarrerhund Troli einholte. Alle Versuche, ihn zur Umkehr zu bewegen, blieben erfolglos, so mussten wir seine Begleitung in Kauf nehmen. Wir schritten ordentlich los, sodass wir am späten Nachmittag die Fähre bei Wesenufer erreichten. Dort ging gerade ein starkes Gewitter nieder und wir mussten warten, bis uns der Fährmann übersetzte. Jenseits der Donau ging es dann die Leitn hinauf nach Altenhof, von wo aus wir die Abkürzungen nahmen.

Unser Jausenvorrat war nicht zuletzt durch den Hund schon lange aufgebraucht. Wir haben dann in Wurzwoll bei einem Bauern um Essen ersucht. Wir drei konnten uns bei Milch und Brot stärken, nachher ging es Richtung Mitternschlag. Schöffgattern haben wir wegen eines Flüchtlingslagers umgangen. Von der Mistelbergerhöhe war Vorsicht am Platz. Es war schon Ausgangssperre, daher haben wir uns über die Steige und vorbei an den Teichen und dem Waschgrantl zu den Häusern geschlichen. Durch Klopfzeichen kamen wir ins Haus, nach dem Tagesmarsch von etwa 80 Kilometern waren wir todmüde. Mit dem Hund Troli hatten alle eine große Freude, er war während der Ferien ein gern gesehener Spielgefährte.


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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
ein wissenschaftliches Großprojekt des Landes

Näheres zum Projekt, sowie zur detaillierten Publikationsliste (Stand Oktober 2007) ...