1. Auftrag
2. Zusammensetzung der Kommission
3. Vorgangsweise
4. Vorwürfe
5. Ergebnis der Kommission
6. Biografische Daten Wagner-Jauregg
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1. Auftrag:
Die Kommission wurde im Februar 2004 vom Amt der oö. Landesregierung mit der Beantwortung der Frage beauftragt, "ob der Namensgeber der Landes-Nervenklinik als historisch belastet angesehen
werden muss".
2. Zusammensetzung der Kommission:
Prof.Dr.Gustav Hofmann, Psychiater,
ehemaliger Leiter der Landes-Nervenklinik
Wagner-Jauregg Linz
Dr.Brigitte Kepplinger, Soziologin,
Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik an der Johannes Kepler-Universität Linz
Dr.Hartmut Reese, Sozialwissenschafter, Leiter des Lern- und Gedenkschlosses Hartheim
Dr.Gerhart Marckhgott, Historiker,
Direktor des OÖ. Landesarchivs
3. Vorgangsweise:
Um die wissenschaftlichen Kompetenzen der Kommissions-Mitglieder optimal zu nutzen, wurden die Recherche-Schwerpunkte wie folgt geteilt:
Medizinischer Bereich: Prof.Hofmann
Biographie und politisches Umfeld:
Dr.Kepplinger und Dr.Reese
Textanalysen und Koordination der Kommissionsarbeit: Dr.Marckhgott
Neben der Bearbeitung der angeführten Spezialbereiche wurde Kontakt zu jenen Personen aufgenommen, die in der Öffentlichkeit als "Protagonisten" der Kritik an Wagner-Jauregg aufgetreten sind:
- Univ.Prof.Dr.Wolfgang Neugebauer,
Direktor des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes
- Univ.Prof.Dr.Hubenstorf,
Institut für Geschichte der Medizin der Universität Wien
- Dr.Kurt Scholz,
Vorsitzender der "Ehrengräber-Kommission" der Stadt Wien
Die Unterstützung durch das Stadt- und Landesarchiv Wien, das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes und verschiedene Bibliotheken ermöglichte eine weitgehend vollständige Recherche der öffentlichen Äußerungen Wagner-Jaureggs.
Mit Neugebauer und Scholz fanden kooperative
Gespräche statt.
4. Vorwürfe:
Folgende Vorwürfe wurden gegen Wagner-Jauregg erhoben:
a) Mitgliedschaft in der NSDAP.
b) Förderung der Rassehygiene und Befürwortung der "Euthanasie".
c) Missbräuchliche Anwendung der Farado-Therapie an Soldaten der österreichisch-ungarischen Armee während des 1.Weltkriegs.
d) Entwicklung der Malaria-Therapie unter Anwendung unethischer Verfahren
und Menschenversuche.
5. Ergebnis der Kommission:
Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass Wagner-Jauregg nicht als historisch belastende Persönlichkeit anzusehen ist.
ad a): Zum Vorwurf NSDAP-Mitgliedschaft
Wagner-Jauregg war zu keiner Zeit Mitglied der NSDAP, ihrer Gliederungen oder ihr nahe stehender Organisationen. Der wenige Monate vor seinem Tod 1940 gestellte, aber später abgelehnte Aufnahmeantrag allein erscheint der Kommission nicht ausreichend für eine Belastung.
Wagner-Jauregg war Mitglied der Großdeutschen Volkspartei und scheint 1937 auf der Proponentenliste des "Deutschsozialen Volksbundes" auf. Mitglied der NSDAP, ihrer Gliederungen oder ihr angeschlossener Organisationen war er nicht. Auch angebliche, post mortem kolportierte Sympathien für die NSDAP sind in öffentlichen Äußerungen oder Publikationen nicht nachweisbar. Eine positive Einstellung zum "Anschluss" kann allerdings auf Grund der deutschnationalen Parteizugehörigkeit angenommen werden.
ad b: Der Vorwurf, ein Protagonist der Rassenhygiene und Verfechter der Euthanasie zu sein, hält einer wissenschaftlichen Prüfung nicht stand und ist weder durch Wagner-Jaureggs medizinische und akademische Praxis, seine Publikationen, noch durch öffentliche Auftritte oder Äußerungen zu begründen.
Wagner-Jaureggs wenige Beiträge zur Eugenik liegen im Mainstream der damaligen internationalen wissenschaftlichen Diskussion und zeichnen sich durch eine zurückhaltende Argumentation vor allem gegenüber sozialtechnologischen und politischen Schlussfolgerungen aus. Rassenhygienische Terminologie (im nationalsozialistischen Sinn) findet sich an keiner Stelle. Während Wagner-Jauregg für freiwillige Sterilisation aus eugenischen Gründen eintritt, findet sich in seinen Schriften keinerlei explizite Befürwortung der Zwangssterilisation. Ebenso existieren keine befürwortenden Äußerungen zur Euthanasie. Auch vor dem Hintergrund seiner Tätigkeit im österreichischen "Bund für Volksaufartung und Erbpflege", dessen Vorsitz er von 1928 bis 1935 innehatte, ergibt sich kein anderer Befund. Weder in den zentralen Quellen zur NS-Euthanasie ("Heidelberger Dokumente", Akten der Euthanasie-Prozesse in Deutschland und Österreich) noch in den Quellen zu Wagner-Jauregg finden sich Hinweise darauf, dass er von den nationalsozialistischen Plänen zur "Vernichtung unwerten Lebens" gewusst hätte oder gar involviert gewesen wäre.
ad c: Die von Wagner-Jauregg angewandten Behandlungsmethoden von "Kriegsneurosen" während des Ersten Weltkrieges waren zwar umstritten, sind aber jedenfalls als ethisch vertretbar zu beurteilen.
Während des Ersten Weltkriegs wurde das damals neuartige Phänomen der "Kriegsneurose" vor allem mittels Elektrotherapie - der sog. Faradisation - behandelt. Diese Methode war weit verbreitet, wenn auch wissenschaftlich wie praktisch strittig. Wagner-Jauregg gehörte zu den eher zurückhaltenden Anwendern dieses Verfahrens. Er wurde - wie auch andere Militärärzte - nach dem Ende des Krieges beschuldigt, dieses Verfahren als Foltermethode angewandt zu haben. Die Untersuchung endete mit seinem Freispruch. Allerdings wird heute die Funktion der Medizin während des Ersten Weltkriegs als "Schlüsselwissenschaft" der Kriegsführung kritisch beurteilt.
ad d: Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Malariatherapie zur Behandlung der Progressiven Paralyse - für die er 1927 den Nobelpreis erhielt - hat Wagner-Jauregg weder inhumane Menschenversuche vorgenommen noch unethische Verfahren angewandt.
Hinsichtlich der Malariatherapie zur Bekämpfung der Progressiven Paralyse gilt in noch weitaus höherem Maße, dass Wagner-Jaureggs medizinisches Vorgehen ethisch nicht seriös angreifbar ist. Die ersten "Malariatherapien" an der Klinik Wagner-Jaureggs erfolgten 1917 mit großem Erfolg. In der Folgezeit entwickelte er eine systematische Fieber-Therapie für die Progressive Paralyse.
Seine Form der Therapie erwies sich weltweit als die wirksamste Methode
zur Behandlung
von Paralytikern.
6. Biographische Daten Wagner-Jauregg:
Julius Wagner-Jauregg, * 7. 3. 1857 Wels (Oberösterreich), ? 27. 9. 1940 Wien, Psychiater, Begründer der Fiebertherapie, Nobelpreisträger für Medizin 1927. Ab 1889 Universitätsprofessor für Psychiatrie in Graz, 1893-1928 in Wien, Vorstand der I., ab 1902 auch der II. Wiener Psychiatrischen Klinik, die 1905 zur "Klinik für Psychiatrie und Neuropathologie Am Steinhof" vereinigt wurden.
Wagner-Jauregg erkannte bei Patienten mit bis dahin unheilbaren geistigen Erkrankungen eine vorübergehende Besserung des Zustands nach fiebrigen Krankheiten. Die Erforschung dieses Zusammenhangs wurde zu seiner Lebensaufgabe. Schon 1887 publizierte er eine Schrift über die Fiebertherapie. 1927 wurde ihm "für die Entdeckung der therapeutischen Bedeutung der Malariaimpfung bei progressiver Paralyse" der Nobelpreis verliehen. Da sehr bald andere, noch wirksamere Behandlungsformen durch die Anwendung von Antibiotika entdeckt wurden, besaß die Erkenntnis von Wagner-Jauregg ab den 40er Jahren nur noch historischen Wert.
Von großer sozialmedizinischer Bedeutung war aber die von Wagner-Jauregg erforschte Behandlung von Schilddrüsenstörungen, die Prophylaxe gegen Kropf und Kretinismus durch jodiertes Kochsalz. Verdienste erwarb er sich weiters um die Erblichkeitslehre, die forensische Psychiatrie, den Ausbau der somatischen Symptomatologie und die Pathogenese vieler Psychosen.
Jugendliche gedacht. |
Information zur Pressekonferenz mit
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, Klubobmann Gunther Trübswasser sowie den Mitgliedern der Kommisson Prof. Dr. Gustav Hofmann, Psychiater, ehem. Leiter der Landesnervenklinik, Dr. Brigitte Kepplinger, Soziologin, Johannes Kepler-Universität Linz, Dr. Hartmut Reese, Leiter des Lern- und Gedenkortes Schloss Hartheim, und Dr. Gerhart Marckhgott, Direktor des OÖ. Landesarchivs
am 2. November 2005 zum Thema
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